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Erfüllte Zeit08. 08. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
„Das
Schweigen“ aus:
„Heilige Zeichen in Liturgie und Alltag“ von Egon Kapellari, Verlag
Styria "Täglich
umgeben mich Worte und Stimmen; vom vielen Reden sind sie ganz
verdorben", sagt in der zeitgenössischen Nachdichtung eines
biblischen Psalms (Ps 73) der Beter zu Gott. Und der vor einigen
Jahren verstorbene jüdische Schriftsteller Manès Sperber hat
kritisch angemerkt: "Unsere Epoche, die redseligste der
Weltgeschichte, äußert sich ununterbrochen millionenfach - aber
sie kommt nicht zu Wort." Wem
es gegeben war, Worte zu sagen, die Gewicht und Bestand haben, der
hat allemal auch viel geschwiegen und ist im ganzen wohl mehr Ohr
als Mund gewesen. Dies gilt schon gar für das Sprechen des
Gottessohnes, der von sich gesagt hat: "Das Wort, das ich euch
sage, ist nicht , mein Wort, sondern Wort des Vaters, der mich
gesandt hat" (Joh 12,49). Jesu
Wort, das Evangelium, steht in der Klammer des Schweigens. Bevor er
anfängt, öffentlich zu reden, geht er an den Ort des Schweigens,
in die Wüste. Dort formt sich in der einsamen Zwiesprache mit dem
Vater im Heiligen Geist das Wort, das Jesus später den Menschen
sagen wird: das dröhnende Wort, das ausfährt wie ein Schwert, und
das sanfte Wort, das einer streichelnden Hand gleicht. Immer wieder
wird aber dieses Reden
Jesu unterbrochen werden durch Schweigen: Schweigen vor dem Vater
und vor den Menschen, Verstummen vor den Pharisäern, die eine
Ehebrecherin anklagen, und vor Pilatus. Darum
gibt es in der Nachfolge Christi neben der Tradition des Sprechens,
des Verkündens in seinem Auftrag auch eine Tradition des
Schweigens. Beides prägt die kirchliche Liturgie, ist in seiner
Abfolge vergleichbar dem Rhythmus von Ein- und Ausatmen, von Ebbe
und Flut. "Ich habe Hymnen, die ich schweige", liest man
in Rilkes Stundenbuch. Auch die Liturgie birgt solche Schweigehymnen
in sich. Dieses heilige Schweigen ist mehr als die Abwesenheit des
Sprechens oder Singens. Es ist gesammelte "Gegenwart", ein
wartendes Sichausstrecken auf Gott hin. Es ist eine Hal-tung, die in
den zur Schale geformten nach oben geöffneten Händen ihren schönsten
Ausdruck hat. In dieser Haltung hat Samuel zu Gott gesagt:
"Rede, Herr, dein Diener hört!" (1 Sam 3,10.) Alles
hat seine Zeit, auch das Reden und das lauschende Schweigen in der
Liturgie. Diesem Schweigen wäre besonders nach dem Hören der
Heiligen Schrift und ihrer Auslegung durch die Predigt wie auch nach
dem Empfang der Kommunion Zeit zu geben. "Ich muss wieder
schweigen, damit das Wort in mir wachse", hat der wortkarge
Dichter Reiner Kunze Journalisten gesagt, die von ihm politische
Stellungnahmen einmahnten. Auch die Christen sollten mehr schweigen,
zumal in der Liturgie, damit das ewige und fleischgewordene Wort in
ihnen und aus ihnen Gestalt annehmen kann. Alles
hat seine Zeit, auch das Reden und das lauschende Schweigen in der
Liturgie. Diesem Schweigen wäre besonders nach dem Hören der
Heiligen Schrift und ihrer Auslegung durch die Predigt wie auch nach
dem Empfang der Kommunion Zeit zu geben. "Ich muss wieder
schweigen, damit das Wort in mir wachse", hat der wortkarge
Dichter Reiner Kunze Journalisten gesagt, die von ihm politische
Stellungnahmen einmahnten. Auch die Christen sollten mehr schweigen,
zumal in der Liturgie, damit das ewige und fleischgewordene Wort in
ihnen und aus ihnen Gestalt annehmen kann. |