Erfüllte Zeit

13. 02. 2005, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

„Die Versuchung Jesu“

(Mt 4, 1 – 11)

von Pfarrer Roland Schwarz

 

Jener Bibeltext des Matthäus, der meist „die Versuchung Jesu“ als Überschrift trägt, ist die Geschichte einer missglückten Intrige. Das griechische Wort „Diabolos“ für den Teufel bezeichnet wörtlich den, der Beziehungen durcheinander bringt, der einen gegen den anderen ausspielt, einen Intriganten.

 

Der Satan versucht Jesus gegen seinen himmlischen Vater auszuspielen. Dabei setzt er sich – wie alle Intriganten – die Maske des Guten auf: Er zitiert niemand anderen als Gott selbst, wenn er zweimal zu Jesus sagt: „Wenn du Gottes Sohn bist, …“ Denn zuvor hatte bei der Erzählung von der Taufe Jesu die Himmelsstimme selbst bestätigt: „Das ist mein geliebter Sohn.“ Kann denn - so könnte man meinen - der etwas Böses im Schilde führen, der Worte Gottes wiedergibt?

Auch die Psalmen der hebräischen Bibel sind dem Satan offensichtlich geläufig. Er will mit einem Psalmenzitat Jesus dazu motivieren, von der höchsten Stelle des Jerusalemer Tempels in die Tiefe zu springen.

 

Die Intrige des Teufels beginnt damit, dass er den hungrigen Jesus dazu bringen will, das schnell sättigende Brot wichtiger zu nehmen als das Gespräch mit Gott. Dieser Urversuchung begegnen auch wir täglich: die möglichst rasche Befriedigung des sinnlichen Verlangens ist den meisten Menschen ganz wichtig. Sie wollen für sich alles sofort haben was sie brauchen oder was ihnen die Werbung zu brauchen einredet. Dabei gibt es keine Rücksicht auf die Interessen anderer. Die einseitige Sicht auf die eigenen Bedürfnisse, der Stress, ja nichts an Genüssen zu versäumen, verhindert den Blick auf die Begegnung und das rücksichtsvolle Hinhören auf den anderen.

 

Im zweiten Teil der Intrige will der Satan die Beziehung Jesu zu Gott dadurch desavouieren, dass Jesus durch einen Sprung in die Tiefe die Treue des Vaters testen soll. Kann Jesus wirklich darauf vertrauen, dass Gott ihn vor dem Tod bewahrt?

 

Auch menschlichen Intriganten gelingt es oft meisterhaft, Freunde in ihrer Beziehung zu verunsichern. Es werden Verdächtigungen ausgesprochen, falsche Motive werden unterstellt, die Glaubwürdigkeit des anderen angezweifelt, dem Partner wird das Testen der Treue angeraten.

 

Beim letzten Versuch entlarvt sich der Intrigant allerdings selbst. Denn jetzt zeigt sich, dass es ihm nur darum geht, die Zuwendung und die Bewunderung des Gottessohnes auf sich selbst zu ziehen. Er bietet ihm alle Reiche der Welt an, wenn er sich ihm allein unterwirft.

Jede und jeder von uns kennt wohl solche oft sehr talentierte charismatische Menschen, von denen man alles oder zumindest sehr viel haben kann, wenn man ihnen ständig nach dem Mund redet, wenn man sie in einem fort bewundert, wenn man sie niemals kritisiert.

Intriganten wollen alle Aufmerksamkeit für sich haben. Sie dulden keine ernsthaften Beziehungen mit anderen Menschen. Doch genau genommen ist ihre Freundschaft eine Herrschaft über ihre Fans.

Seltsamerweise wird oft ein wichtiger Handlungsträger in der Erzählung von der Versuchung Jesu übersehen: Zu Beginn heißt es ja ausdrücklich, dass es der Geist Gottes selbst ist, der Jesus in die Hände des Intriganten führt. Die Liebe Gottes, die Jesus bei seiner Taufe ganz stark erfahren hatte, sollte wohl vor seinem ersten Auftreten in Galiläa auf ihre Gegenseitigkeit hin befragt und diese Gegenseitigkeit sollte durch die Krise gestärkt werden. Liebende lassen sich aber durch noch so gekonnte Intrigen nicht auseinander bringen.