Erfüllte Zeit

27. 03. 2005, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

„Die Botschaft des Engels am leeren Grab“ (Matthäus 28, 1 – 10)

von Regens Nikolaus Krasa

 

Immer noch unterwegs? Aus dem Osterkurzurlaub? In den Osterkurzurlaub? Auf der Hinreise? Auf der Rückreise? Oder knapp davor? Und wenn Sie unterwegs sind, dann werden Sie es am Verkehr festgestellt haben. Sie sind nicht die einzigen. Halb Europa ist auf Achse in diesen Tagen. So als hätte eine innere Unruhe alle erfasst. Und vermutlich ist das ein Grundelement unseres Lebens, dieses unterwegs sein.

Unterwegs sein, und die Unruhe, die Menschen antreibt, sich auf den Weg zu machen. Ein Thema, das uns in den Evangelienlesungen dieser österlichen Tage immer wieder begegnet. Da ist einmal der Weg des Jesus von Nazareth, zielstrebig und provozierend auf Jerusalem zu, damit auf sein Ende, auf seinen Tod zu. Ein entscheidendes Moment dieses Weges haben wir vergangenen Sonntag analysiert: seinen Einzug nach Jerusalem. Dann gibt es da noch die Wege der vielen Menschen, die Jesus in diesen letzten Tagen begegnen, oder die mit ihm unterwegs sind. Es sind Wege, die nach dem brutalen Tod des Jesus von Nazareth, erschüttert sind, am Ende, sich verlaufen. Wege, die keinen Sinn mehr ergeben.

 

Nur ein Weg bleibt noch, nachdem alles vorbei ist, und von dem erzählt uns das heutige Evangelium. Es ist wohl innere Unruhe, die die Frauen da in aller Früh zum Grab hinaus treibt. Eine bekannte, vertraute Geschichte, die uns Matthäus da erzählt. Die Frauen, die Morgenfrühe, das Grab, geöffnet, der Engel, der die erlösende Botschaft spricht: er ist auferstanden. Vertraute Elemente einer vertrauten Geschichte. Und doch: erstaunlich, wie Matthäus uns diese vertraute Geschichte erzählt. Genauer gesagt:  es erstaunlich, was Matthäus nicht schildert, und es ist erstaunlich, was er mehrfach erwähnt.

 

Die Geschichte beginnt mit einer doppelten Zeitangabe, die nicht zusammenpasst. Einerseits wird vom Ende des Sabbats geredet (sie erinnern sich vielleicht, vor diesem Sabbat starb Jesus am Kreuz und wurde noch schnell vor Anbruch des Sabbats, also vor dem Freitagabend begraben). Auf der anderen Seite heißt es, der erste Tag der Woche leuchte auf, die Morgendämmerung des Sonntags wäre angebrochen. Wann passiert die Geschichte jetzt also: Samstagabend oder Sonntagmorgen? Oder will Matthäus die Zeit bewusst nicht mehr festmachen? Kann er nur die Grenzen der Nacht angeben

 

Ein zweites: am Anfang unseres Evangeliums ist dauernd vom Sehen die Rede: die Frauen gehen um das Grab zu sehen, der Engel lädt die Frauen ein, das Grab zu sehen und er verspricht ihnen, sie würden den Auferstandenen in Galiläa sehen. Das Ereignis aber, um das sich alles dreht, sieht niemand. Auch die Wächter vor dem Grab nicht. Ich meine die Auferstehung selbst. Was da passiert, wie das geschieht, darüber schweigt sich Matthäus aus. Nur der Engel – und das ist die dritte Beobachtung – nur der Engel verkündet zwei Mal die Osterbotschaft: Jesus ist auferweckt worden.

 

Die Auferstehung selbst wird also nicht geschildert, weder ihre genaue Zeit, noch was sich da abgespielt hat. Sie ist nicht sichtbar, nicht vorstellbar, nicht wahrnehmbar. Wahrnehmbar ist nur ein leeres Grab. Wahrnehmbar ist  ein Bote mit – nach biblischem Verständnis – höchster Autorität. Ein Engel verkündet, deutet, erklärt den Frauen mit himmlischer Autorität was geschehen ist. Das Ereignis selbst bleibt unerhört, unvorstellbar unbeschreibbar. Und das trotz aller inneren Unruhe, trotz des Engagements der Frauen, obwohl sie Jesus so lange begleitet haben. Es bedarf eines Impulses Gottes selber, um ihnen den neuen Weg zu zeigen, um sie begreifen zu lassen, was da passiert ist. Der Glaube an die Auferstehung ist Geschenk, nicht etwas, das sie spontan haben. Nicht etwas, das sie erfinden. Aber gerade so verändert er ihren Weg. Sie gehen zurück, nicht mehr zum Grab sondern zurück zur Gemeinschaft, mit der sie so lange unterwegs waren, zurück zu den Jüngern, zurück zum Ort wo alles begonnen hat, zurück nach Galiläa. Und von dort, so dann die letzten Worte Jesu bei Matthäus, hinaus in alle Welt.

 

Was also heute im Evangelium geschildert wird ist kein Endpunkt. Ganz im Gegenteil: ein alle menschliche Erfahrung sprengendes Ereignis beginnt das Leben von Menschen zu verändern, neu in Bewegung zu setzen. Und in dieser neuen Bewegung werden sie dem Auferstandenen begegnen, gleich nachdem sie vom Grab weggegangen sind, und in dieser Bewegung ist der Auferstandene mit ihnen, alle Tage, wie es in den letzten Worten Jesu im Matthäusevangelium heißt.