Erfüllte Zeit

28. 03. 2005, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Begegnung mit dem Auferstandenen auf dem Weg nach Emmaus“

(Lukas 24, 13 – 35)

von Regens Nikolaus Krasa

 

Und wieder sind Menschen unterwegs. Heute und morgen wird es vermutlich die Rückreisestaus geben auf den Hauptverkehrsverbindungen. Halb Europa ist unterwegs, zurück in die Arbeit. Zurück in den Alltag. Unterwegs zurück in den Alltag sind auch die beiden von denen das heutige Tagesevangelium erzählt. Wohl Jesusjünger die beiden, frustriert von dem, was sie in den letzten Tagen in Jerusalem erleben mussten. Ihre Hoffnung auf Veränderung, auf ein neues Lebens tot als Schwerverbrecher am Kreuz hängend. Es bleibt nur mehr der Weg nach Hause in ihr Dorf, nach Emmaus. Weg von der Jüngergemeinschaft, zurück in den Alltag.

 

Im Zusammenhang des Lukasevangeliums bekommt dieser Weg durch die Ortsangaben ein besonderes Gewicht. Lukas schildert ja, ähnlich wie Matthäus und Markus,  in einem Gutteil seines Evangeliums den Weg Jesu nach Jerusalem. Jerusalem ist Ziel und Höhepunkt dieses Weges. Darauf steuert Jesus nach seiner anfänglichen Tätigkeit im Norden des Landes, in Galiläa, zu. Nur, und das ist ein Akzent, den Lukas setzt, diese Bewegung endet nicht in Jerusalem. Im zweiten Teil seines Werkes, in der Apostelgeschichte, wird Lukas erzählen, wie es weitergeht. Und jetzt ist Jerusalem nicht mehr Ziel des Weges, sondern Ausgangspunkt, Anfang eines neuen Weges. Nach Pfingsten werden die Jünger von Jerusalem ausziehen hinaus in die ganze, damals bekannte Welt. Und die Schilderung der Apostelgeschichte wird in der mächtigsten Stadt dieser Welt enden, in Rom. Dort verkündet Paulus, daß den Heiden das Heil Gottes gesandt ist.

 

In diesen großen Weg des zweibändigen lukanischen Werkes, Lukasevangelium und Apostelgeschichte, scheint der Weg unseres Tagesevangeliums überhaupt nicht hineinzupassen. Die beiden Jünger, die da nach Emmaus unterwegs sind, haben sich sozusagen aus diesem Weg ausgeklinkt, sie laufen dagegen, vielleicht besser: sie laufen weg. Mit diesem Weg des Jesus von Nazareth wollen sie nichts mehr zu tun haben.  Allerdings ist das nicht der einzige Weg im heutigen Evangelium. Am Ende kehrt sich der Weg der Beiden um. Sie gehen in der selben Nacht noch nach Jerusalem zurück. Zurück zu den Jüngern, die dort geblieben sind. Zurück damit auch zum Weg Jesu. Sie klinken sich wieder ein.

 

Warum? Sie erinnern sich an den Text. Weil ihnen dieser Jesus auf ihrem Weg weg von ihm begegnet. Zunächst als fragenden und dann schweigender Zuhörer, dann als einer, der sich erklärend in das Gespräch einschaltet, ihnen aus der Bibel erklärt, warum der Messias leiden musste, schließlich als einer, der, eingeladen, mit ihnen das Brot bricht. Im Zuhören, im Hören auf die Schrift, im Brechen des Brotes beginnt sich in den beiden Jüngern etwas zu verändern, das Herz brennt, stellen sie rückblickend fest. Und sie stehen auf und gehen noch in derselben Nacht nach Jerusalem zurück. Sie stehen auf und machen sich wieder auf den Weg. Eine kleine Auferstehung ist es die da passiert in den beiden, die eigentlich schon Schluss gemacht haben. Eine kleine Auferstehung durch die Begegnung mit dem Auferstandenen. Eine Erfahrung die sich wiederholen wird, ja schon wiederholt hat. Als sie zurückkommen erzählen ihnen die anderen Jünger was passiert ist, dem Simon ist der Auferstandene erschienen, sagen sie. Langsam beginnt sich Ostern in den Jüngern auszuwirken, beginnen die Jünger selbst aufzuerstehen, durch die Begegnung mit dem Auferstandenen. Und dieses Auferstehen wird sich fortsetzen, vertiefen, die Bewegung wird sich verstärken. Ab Pfingsten werden sie beginnen, die Botschaft, mehr noch, ihre Erfahrung von der Auferstehung weiterzuerzählen, weiterzusagen. Und wie sie durch die Auferstehung wieder in Bewegung geraten sind, werden sie andere in Bewegung setzen, wird der Auferstandene selbst nochmals Menschen berühren. Und aus einem kleinen verängstigten Haufen und einem der als Verbrecher auf Golgotha scheinbar die Endstation seines Weges erreicht hat wird eine gewaltige Bewegung bis zu den Enden der Erde.

 

Eine Begegnung, die auch heute noch Menschen bewegt, im Horchen auf die eigene Lebenserfahrung, in der Begegnung mit der Bibel und beim Brechen des Brotes. Eine Bewegung, die auch heute noch Menschen erfasst, auferstehen lässt und zur Gemeinschaft seiner Jünger führt.