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Erfüllte Zeit10. 04. 2005, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
„Die
Erscheinung des Auferstandenen am See“ (Johannes
21, 1 – 14) von P. Dr. Bernhard A. Eckerstorfer Die heutige Erzählung mutet fabelhaft an. Wie ein Sinnbild aus einer fernen Zeit und Welt steht sie vor uns, fast wie ein Märchen. Gleichsam unter einem Schleier liegt alles, was wir zu sehen bekommen: die Jünger im Boot in der Dunkelheit der Nacht - mit dem Tod Jesu war es für sie Nacht geworden -; der rätselhafte Fremde am Ufer im Dunst der Ungewissheit; die vergeblichen Anstrengungen der Fischer, der Mangel auf der einen Seite und die Überfülle auf der anderen; schließlich die vertraute und doch entrückte Begegnung unter Freunden, die sich gut kennen und einander dennoch neu verstehen müssen. In eine seltsame Atmosphäre führt uns das Ende des
Johannesevangeliums. Vielleicht spüren wir, dass diese scheinbar so
entfernte Welt unsere Wirklichkeit in sich schließt und birgt. Der
Fremde, der in dieser Geschichte zunächst im Hintergrund bleibt,
aber letztlich die Geschicke der anderen lenkt - antwortet er auch
auf unsere Dunkelheit, unser rätselhaftes Dasein, nimmt er sich
auch unserer Mühen und Nöte gnädig an? Vielleicht geht uns Erdenbürgern
erst durch ein solches märchenhaftes Sinnbild auf, wer Gott ist,
wie er uns begegnet und wozu wir Menschen befähigt sind. Es ist alles wie früher und immer. Jesu Tod am Kreuz hat die Sehnsüchte und Pläne der Jünger zerschlagen. Sie hatten gehofft, die Macht Jesu werde sich zeigen und durchsetzen. Doch nun sind sie verstört, denn anscheinend hat sich nichts geändert. Der Alltag und seine Mühen holen sie ein. Die Jünger gehen fischen. Zwar hat Jesus ihnen schon mehrmals bewiesen, dass er lebt. Aber wo ist er jetzt? Und so hängen sie an ihren Erinnerungen. Was sie mit Jesus und durch ihn erlebt hatten, geht ihnen nach. Er hatte doch immer die Initiative ergriffen, und erst viel später und nur langsam hatten sie bemerkt, was mit ihnen und anderen geschehen war. Da sitzen sie nun im Boot, machtlos und ratlos.
So dunkel wie die Nacht ist, so finster sieht es in
ihrem Inneren aus. Nicht einmal ihr angestammtes Handwerk, das
Fischen, will gelingen! Ihre Arbeit ist vergeblich und ihr Freund
und Herr abwesend. Alles scheint ihnen genommen; in dieser
Dunkelheit kann man nur in Depression verfallen. Doch da wird es
hell! Erst jetzt nehmen sie die Gestalt am Ufer wahr; vielleicht
stand sie schon lange dort. War er am Ende schon die ganze Nacht da
gewesen? Der seltsame Fremde hat nur von der Ferne aus zugesehen;
aber er hat die Lage zuinnerst erfasst. Er reagiert weder mit einer
schroffen Aufforderung, noch stellt er die Jünger als hilflose
Toren hin. Er versetzt sich in ihre Lage, erscheint selbst als ein
Bittender; doch in seiner Frage liegt Autorität: “Kinder, habt
ihr nicht etwas zu essen?” Die Jünger gehen auf die Frage ein; in
dem Augenblick, in dem sie ihre Ohnmacht zugeben, gibt ihnen der
Fremde einen Rat. Eindrucksvoll ist hier, wie die Jünger in der Tat
wie kleine Kinder ihr Unvermögen eingestehen und dem Aufruf ohne Zögern
folgen. Offenbar ist ihnen bewusst: das entscheidende Wort können
sie sich nicht selbst geben; sie müssen es von einem anderen
empfangen.
Auf sein Wort hin werfen sie also die Netze auf der
anderen Seite des Bootes aus und fangen nun ein, was immer schon da
war, ihnen aber nicht zugänglich schien. Aus dem bedrängenden
Mangel wird beglückende Überfülle. An dieser Fülle gehen ihnen
die Augen auf für eine Größe und Macht, die sie übersteigt:
“Es ist der Herr!” Berührend, wie Petrus auf diese Erkenntnis
des Lieblingsjüngers alles stehen lässt, die vielen gefangenen
Fische vergisst und Jesus entgegen schwimmt. Der wartet schon auf
die Jünger. Sie stellen keine Fragen. Denn es ist eine seltsame
Begegnung; eine andere Wirklichkeit bricht in sie ein, und das
Warum, Woher und Wohin zählt nicht mehr. Alles ist schon da, der
Herr selbst hat den Tisch bereitet. “Er nahm das Brot und gab es
ihnen.” Das letzte Abendmahl vor dem Tod Jesu wird zur bleibenden
Gegenwart des Auferstandenen im Brot, wird zur Eucharistie.
Es scheint alles wie früher und immer zu sein - auch für
uns an diesem Sonntag. Doch mitten in unserem gewohnten Treiben
wartet eine andere, “traumhafte” Wirklichkeit. Man kann sie
nicht einfach in Besitz nehmen wie die Sonntagszeitung am Straßenrand.
Es braucht Mühe, Geduld, kindliche Offenheit. Dann kann uns neu
aufgehen, was wir eigentlich schon erkannt haben, was schon da ist,
uns umfängt und trägt; dann dürfen wir dem begegnen der auch
heute ruft: “Kinder, kommt zu mir ... nehmt und esst ... hier ist
die Fülle des Lebens.”
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