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Erfüllte Zeit01. 05. 2005, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
„Trostworte an die Jünger“
(Johannes 14, 15 – 21) von
Univ. Prof. Dr. Martin Jäggle
Für
viele Zeitgenossen gilt das Christentum unverändert als Miesmacher,
als Lebensfreude mindernd, als Produzent von Schuldbewusstsein und
sittlicher Überforderung. Frohe Botschaft, Evangelium? „Dass ich
nicht lache!“ Wer hat das nicht schon gehört. Eigentlich
gibt es gute Gründe für diese Sichtweise. Ein lachender Christus,
was war und ist das für ein Skandal. Dem gegenüber stellt ein
brasilianischer Bibelkurs, der sich an die Armen richtet, Jesus als
einen vor, der uns Gottes Lächeln gezeigt hat. Nehmen wir das
heutige Sonntagsevangelium als eine Hilfe, um zu entdecken, woher
die Vitalität und Lebensfreude des Christentums und des Christseins
kommen und warum Christen über sich hinauswachsen können. Es
kann dafür hilfreich sein, diesen Evangeliumstext von seinem Rahmen
her zu verstehen. Er beginnt mit „Wenn ihr mich liebt“ und endet
mit „Wer mich aber liebt.“ Verbunden mit der Steigerung: „der
wird von meinem Vater geliebt werden, und auch ich werde ihn lieben
und mich ihm offenbaren.“ Am
Anfang steht die Liebe und am Ende steht die Liebe. Sie ist der
Rahmen, sie ist das Vorzeichen und der Schluss-, ja Höhepunkt. Am
Anfang steht nicht einfach Beziehung oder eine bloß wohlwollende,
sondern eine liebende Beziehung. An Anfang steht die liebende
Beziehung zwischen Jesus und seinen Jüngern, eine Beziehung, in die
wir hinein genommen sind. Sie ist nicht unterwürfig, nicht demütig,
nicht hierarchisch, nicht herrscherlich, denn Liebe gibt es nur in
Freiheit. Und
diese Beziehung zwischen Jesus und seinen Jüngern genügt nicht
sich selbst, sondern hat praktische Folgen. „Wenn ihr mich liebt,
werdet ihr meine Gebote halten.“ Sie ermächtigt also zu einer
Praxis der Liebe. Diese Praxis der Liebe ist zugleich der Ort, wo
das Lächeln Gottes erfahrbar, wo die Liebe zwischen den Jüngern
und Jesus sichtbar wird, wie am Ende das Evangelium deutlich macht.
„Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich
liebt.“ Doch
der gewöhnliche menschliche Alltag sagt: Allein ist da nichts zu
machen, und geht zur Tagesordnung über. „Ich
werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand
geben.“ ist in der so genannten Einheitsübersetzung zu lesen.
Fridolin Stier wählt hingegen statt des Wortes Beistand das Wort
Mutbringer. Daher können wir gelassen wahrnehmen, dass die Praxis
der Liebe einer ständigen Ermutigung bedarf und diese auch erhält.
Zuviel spricht alltäglich gegen ein Leben in der Nachfolge Jesu. Um
hier bestehen zu können, braucht es aber keine Durchhalteparolen,
keine Selbstermächtigung, Christen können dem verheißenen
Beistand vertrauen, sie können in der Gewissheit des anderen
Mutbringers leben. Das
Christentum als eine Religion der Liebe und der Ermächtigung zu
einer Praxis der Liebe. Wäre das nicht lebenswert für uns und die
anderen?
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