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Erfüllte Zeit29. 05. 2005, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
„Von den falschen Propheten“ (Matthäus
7, 21 – 27) von
Pater Gustav Schörghofer SJ Das
Bild ist einsichtig: Niemand wird ein Haus in den Sand stellen.
Zumindest niemand, der einigermaßen Ahnung hat vom Hausbau und der
weiß, welchen Belastungen ein Gebäude standhalten
muss. Wer dennoch so handelt, ist töricht. Und jeder ist
klug, der als Fundament seines Hauses Fels wählt. Das Haus auf dem
Felsen, ein Bild für Beständigkeit, Festigkeit, Verlässlichkeit.
Es lohnt sich, in ein solches Haus zu investieren. Überlegungen zum
Fundament eines Gebäudes sind mit sehr irdischen Dingen befasst.
Mit Religion, mit der Sorge um das Jenseits, um das Seelenheil hat
das scheinbar nichts zu tun. Warum verwendet Jesus immer wieder
Bilder und Vergleiche aus einer Wirklichkeit, die völlig profan,
ganz und gar weltlich ist? Hausbau, Verwalter, Ackerbau, Kaufmann,
Pflanzen, Tiere, alles das kommt in den Bildern und Gleichnissen
vor. Indem Jesus die Aufmerksamkeit auf all diese irdischen
Gegebenheiten lenkt, weist er auf etwas hin. Worauf?
Das
heutige Evangelium ist der Abschluss einer großen Sammlung von
Handlungsanweisungen. Matthäus hat sie als eine Ansprache Jesu an
die vielen um ihn versammelten Menschen gestaltet. Diese Bergpredigt
umfasst das 5. und 6. Kapitel des Matthäusevangeliums. In ihr ist
von der wahren Gerechtigkeit die Rede. Sie ist bezeichnend für den
Stil Jesu. An ihrem Beginn stehen die Seligpreisungen. Keine Vorwürfe
an moralisch heruntergekommene Menschen, sondern eine Zumutung im
positiven Sinn. Jesus mutet den Menschen erstaunlich viel zu. Das
zeigt sich in den auf die Seligpreisungen folgenden Abschnitten. Da
ist von einer unglaublichen Verfeinerung des Gespürs für den
anderen die Rede, von einer Großzügigkeit, einer dauernden Versöhnungsbereitschaft,
einer Liebe selbst zu den Feinden, einer ungeheuchelten
Gottesbeziehung und als deren Maß einem intensiven Bemühen um die
Welt, um die Menschen. Und zum Schluss heißt es nicht, das sei nun
alles anzunehmen ohne Widerrede und einzuhalten ohne Abstriche. Den
Abschluss dieser Rede bildet ein ganz merkwürdiger Hinweis.
Jesus
weist darauf hin, dass nur ein unvernünftiger Mann sein Haus auf
unsicherem Boden errichten wird. Ein vernünftiger, kluger Mann wird
das Haus auf Felsen stellen. Damit ist gesagt, dass es Jesus der
Einsicht seiner Hörerinnen und Hörer überlässt, die Wahrheit
seiner Worte zu erkennen und danach zu handeln. Jesus übergeht
nicht die Vernunft der Menschen, ihre Urteilsfähigkeit. Er zwingt
ihnen nichts auf. Ganz im Gegenteil: Er bringt die Menschen zur
Vernunft. Und zwar nicht nur zur kühl kalkulierenden mathematischen
Vernunft, sondern auch zu jener anderen Vernunft, die Blaise Pascal
die Vernunft des Herzens genannt hat. Eine dem Menschen gegebene Fähigkeit,
intuitiv Wahres von Falschem, Recht von Unrecht zu unterscheiden.
Im
Zentrum des christlichen Glaubens steht die Menschwerdung Gottes.
Gott geht in Jesus Christus ein in diese Welt, er wird Mensch, er
geht ein auf das Leben der Menschen. Er kommt nicht als Herrscher,
der Untergebenen eine Lehre aufzwingt, sondern als Diener. Sein
Dienst besteht darin, die Menschen zur Vernunft zu bringen. Zu einer
Vernunft, die imstande ist, die Nähe Gottes zu erkennen und zu
unterscheiden von allem, was nicht Nähe Gottes ist. Dazu sind die
Menschen fähig. Ein jeder, eine jede ist dazu befähigt.
Fragen
Sie sich doch: Was ist für Sie Religion? Was ist für Sie Glaube?
Ein Zwang, der Sie einengt, der Ihnen fremd und vorgegeben ist? Könnte
Glaube nicht eine Kraft sein, die Sie zum Kern Ihres Lebens führt,
zur Vernunft bringt. Eine Kraft, die Sie befähigt, aus Eigenem die
Wahrheit zu erkennen und zu tun. Mehr als je zuvor bedarf heute jede
und jeder der Fähigkeit zur Unterscheidung. Alte Welterklärungssysteme
haben ihre Kraft verloren. Wo ist Orientierung zu finden? Nicht
dort, wo eine Lehre vorgegeben wird, der blindlings zu folgen ist.
Sondern dort, wo Menschen geholfen wird, zur Vernunft zu kommen. Wo
ihnen geholfen wird, selber zu sehen und zu hören. Dort, wo die
Kirche so handelt, wie Jesus gehandelt hat.
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