Erfüllte Zeit

12. 06. 2005, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

Valentin Weigel

 

Die Schrift ist ein äußerlicher Spiegel. Sie zeiget dir an, wie du bist. Sie macht dich aber nicht also. Darum kannst du den Glauben und das Urteil nicht aus dem Buchstaben der Schrift nehmen, sondern vom Wort oder Geist. (Ihn) musst du suchen und erwarten. Denn der Glaube ist nicht ein menschlich Werk, sondern ein Werk und ein Licht Gottes und ein Geschenk.

 

So wirkt Gott alles Gute in den gelassenen Herzen der Menschen. Denn Gott gibt sich selbst ihnen ins Herz durch den Glauben, dass er (bereits) im Menschen wohne. Und das heißt: Christus versetzt uns wahrhaftig aus der Natur in die Gnade, erneuert, reiniget, heiliget und erleuchtet uns, dass er eine neue Natur wird, durch Christus geschaffen zu guten Werken. Denn der Mensch gehört nicht sich selbst, sondern er ist Gottes. Ein jeder (in diesem Sinne) Glaubende ist sich selbst entnommen, von Gott gelassen und ergeben. Da erkennt sich Gott selber im Menschen.

 

 

(Aus: Gerhard Wehr „Mystik im Protestantismus. Von Luther bis zur Gegenwart“, Claudius Verlag)