Erfüllte Zeit

19. 06. 2005, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

   

„Im dunklen Licht – Aufforderung zu furchtlosem Bekenntnis“ 

(Matthäus 10, 26 - 33)

von Univ. Prof. Wolfgang Langer

 


„Fürchtet euch nicht!“ Dreimal hören wir diesen Ruf im heutigen Evangelium. Jesus hatte seine Jünger gemeint, Matthäus richtet diesen Ruf an seine Gemeinde. Sie wurde von ihren jüdischen Mitbürgern verfolgt, weil sie Jesus als den von Gott gesandten, gekreuzigten und von den Toten auferweckten „Herrn und Messias“ (Apg 2,36) bekannte.

Das ist nicht mehr unsere Situation. Zwar werden anderswo in der Welt Christen durchaus noch blutig verfolgt. Ihnen gebührt unsere Solidarität und nach Möglichkeit auch unser politischer Einsatz (AI, CSI). Aber können wir diese Worte auch noch anders hören? Ich denke schon.

Wenn wir nur unser ganz „normales“, alltägliches Leben einmal ernsthaft anschauen, haben wir genügend Anlass, uns zu ängstigen. In keinem Augenblick sind wir wirklich sicher vor Verlusten aller Art. Wir können beraubt werden, das Haus kann uns abbrennen, ein Hochwasser unser Eigentum vernichten. Schlimmer noch: Partnerschaften können zerbrechen, ein geliebtes Kind in jungen Jahren sterben. Von heute auf morgen kann der Arbeitsplatz verloren gehen. In einem Augenblick macht uns ein Unfall zum Krüppel. Unversehens trifft uns eine heimtückische, lebensbedrohende Krankheit.

Was oder wer hilft uns in diesen Lebensängsten? Es müsste eine Gewissheit geben, dass wir mehr als dieses eine, immer vom Tod bedrohte Leben haben. Dass da ein größerer Vater ist, der uns kennt – bis in jedes einzelne unserer Haare. Der die Spatzen als seine Geschöpfe liebt, aber mehr noch die Menschen, für die er seinen Sohn in die Welt gesandt hat, um sie aus dem Tod zu retten (vgl. Joh 3,17).

Eben das ist es, was Jesus sagt. Er sagt es ins „Dunkel“ der Ungewissheiten unseres Daseins. In diesem Leben reicht unser Blick nur bis zur Nacht des Todes. In die müssen wir am Ende unseres Lebens hineingehen. Es ist die letzte Angst, die jeden von uns befällt, auch wenn wir vorher keine der möglichen Lebenskatastrophen erlebt haben. Jesu Verheißung ewigen Lebens will Licht in dieses Dunkel bringen. Aber es ist ein „dunkles Licht“. Unsere leiblichen Augen sehen dadurch nicht mehr und nicht besser. Die kreatürliche Angst vor dem Sterbenmüssen wird nicht aufgehoben.

Die Hoffnung, die uns zugesagt wird, liegt immer im Streit mit den gegenteiligen Erfahrungen, die wir dauernd machen. Das immer bedrohte, letztlich vergängliche Leben in dieser Welt widerspricht brutal dem Evangelium. Die Hoffnung ist nur um den Preis des Glaubens zu haben. Das heißt: Nur wer sich gegen den Augenschein und gegen die kalte Vernunft der irdischen Erfahrungen „zu Jesus bekennt“, wer seinem Wort mehr vertraut als dem, was offenbar auf der Hand liegt, wird sich und sein Leben ihm anvertrauen können. Dann weitet sich der Horizont auf ein unvergängliches Leben bei und in Gott.

Wer sich im Glauben an Jesus Christus zu dieser Hoffnung bekennt, wird für seine Mitmenschen zum Bekenner. Er wird durch die Art, in der er sein Leben lebt – auch und gerade mit allen Schwierigkeiten, die er dabei zu bestehen hat – Zeugnis geben von seinem Vertrauen und von seiner Hoffnung. Was ihm persönlich, „im Verborgenen“ widerfahren ist, davon wird er reden können – zu anderen , um sie aufmerksam zu machen. Denn die Sehnsucht nach (unvergänglichem) Leben steckt in uns allen. Durch den Glauben wird sie zur Hoffnung.