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Erfüllte Zeit10. 07. 2005, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
„Das Gleichnis vom Sämann“ (Matthäus
13, 1 – 23) von
Regens Nikolaus Krasa
Darf
ich sie heute morgens ein bisschen verwirren? Ich weiß schon, meine
Aufgabe wäre eigentlich, Ihnen das heutige Sonntagsevangelium zu
erklären. Am besten vermutlich so, dass dabei so etwas wie eine „message“
eine ganz einfache Botschaft herauskommt. Ein Inhalt, den sie sich
leicht merken kann, an den Sie sich auch heute Abend noch erinnern können.
Nur:
ich möchte heute genau das Gegenteil tun. Ich will Sie verwirren.
Die Sache nicht einfacher, sondern komplizierter machen. Ihnen nicht
bloß eine „message“ liefern, sondern gleich mehrere, die noch
dazu nicht 100prozentig zusammenpassen. Und ich tue das, nicht weil
ich so boshaft bin, sondern, weil das eigentlich ein Thema des
heutigen Evangelium ist: mach Dir’s nicht zu einfach, glaube nicht
den platten Lösungen, lass Dich herausfordern von einem Text, der
mehr zu sagen hat als es auf den ersten Blick scheint. Der
erste Blick ist ja recht einfach, eine leicht mitzuvollziehende
Geschichte. Da geht einer und säht, und offenbar ist es um den
Acker nicht besonders gut bestellt. Man kann sich leicht ein
mediterranes Feld vorstellen, trocken, mit vielen Steinen, Unkraut
und Fußwegen die teilweise quer durch laufen. Und so wie es um das
Feld bestellt ist, so ist auch die Chance des Saatgutes. Manches
wird gleich von den Vögeln weggeschnappt, anderes wächst ein
bisschen auf und verdorrt, ein Teil hat unter den Disteln keine
Chance, ein Teil aber wächst auf und bringt Frucht. Eine einfache
Geschichte also. Eigentlich besser in den Worten des Matthäus, ein
Gleichnis. Ein Vergleich also, ein Bild für eine dahinter liegende
Wirklichkeit um die es eigentlich geht. Nur: worum geht es
eigentlich. Achtung, jetzt versuche ich, Sie zu verwirren! Ein
erster Versuch: sehr breit hat unsere Geschichte vom Misserfolg des
Saatgutes gesprochen, nur ein Teil fällt auf guten Boden. Und um
diese negative Grundrichtung fortzusetzen, auch das Produkt dieses
Teils hat etwas Negatives in sich, es wird immer weniger, erst 100,
dann 60 schließlich 30fach. Ist es ein etwas depressiver Jesus, der
hier über den Misserfolg seiner Tätigkeit reflektiert? Frei nach
dem Motto: vieles ist umsonst, und auch dort wo etwas hängen
bleibt, wird es immer weniger?
Ein
zweiter Versuch: bleiben wir bei dem negativen Tatbestand. Ändern
wir nur unsere Blickrichtung. Schauen wir auf die Jünger. Verbirgt
sich dann in dieser Geschichte nicht so etwas wie eine Ermahnung an
die Jünger, pass auf, auch dein Ackerboden schaut so aus wie der im
Gleichnis beschriebene? Mühe dich also darum, den Samen in dir
wachsen zu lassen.
Oder
müsste man, und das ist jetzt ein dritter Versuch, die Message
dieses Gleichnisses zu entschlüsseln, die Rolle Jesu viel positiver
sehen. Auch wenn viel daneben geht, ein Teil geht doch auf und
bringt Frucht.
Oder
erzählen die Deutung des Gleichnisses (wir haben sie ganz am Ende
des heutigen Evangeliums gehört) von den Erfahrungen der ersten
christlichen Gemeinden. „Der Same ist das Wort“ hat es da geheißen,
gemeint ist wohl das Wort der ersten christlichen Prediger. Und dann
wird ausgefaltet – immer noch aktuell – was dieser Predigt alles
passieren kann, sie geht bei einem Ohr rein und beim andern raus,
oder es gibt kurzzeitigen Enthusiasmus aber keine Konstanz, oder
andere Probleme nehmen überhand, und treiben den Glauben aus.
Spricht das Gleichnis also von der oft vergeblichen Mühe die
Botschaft des Christentums weiterzusagen? Ein vierter Erklärungsversuch. Ich
hoffe Sie sind in der Zwischenzeit verwirrt genug! Wenn nicht
liefere ich ihnen noch eine fünfte Erklärung. Sie stammt aus dem
Gesamtzusammenhang des Matthäusevangeliums, und aus dem was
zwischen dem Gleichnis (dem Anfang des heutigen
Evangelienabschnittes) und seiner Deutung (dem Ende also) erzählt
wird. Hier ist es wieder Jesus, der damit ringt, warum seine
Botschaft nicht verstanden wird, obwohl sie so einfach ist. Warum es
so etwas wie spirituelle Blindheit und Taubheit für seine Botschaft
gibt. Verständnishilfe gibt ihm ein Text aus dem Buch des Propheten
Jesaia, den er auch zitiert. So gesehen, handelt das Gleichnis vom
Sinn der Unverständlichkeit Jesu.
Eine
Geschichte, ein Gleichnis und 5 Deutungen, 5 messages (und ich könnte
ihnen noch ein Paar mehr liefern, nur würde ich dann meinen
Zeitrahmen sprengen). Verwirrend? Ja verwirrend und gut. Denn
Verwirrung kann uns anspornen dranzubleiben, weiter zu überlegen,
wie bei einem Kreuzworträtsel, dass sich nicht ausgeht. Und genau
das will ein Gleichnis bezwecken. Dass wir nie aufhören zu fragen,
was diese Geschichte bedeutet. Mehr noch: was sie für mich
bedeutet. Und eigentlich, und das wäre das Ziel der Geschichte, was
muss ich also tun.
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