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Erfüllte Zeit24. 07. 2005, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
„Die
Gleichnisse vom Schatz, der Perle und vom Fischnetz“ (Matthäus
13, 44 – 52) von
Veronika Prüller-Jagenteufel
Das
Himmelreich bzw. das Reich Gottes steht im Zentrum der Botschaft
Jesu. Er verkündet, dass dieses Reich nahe bzw. bereits mitten
unter uns ist; er macht dieses Reich der Barmherzigkeit, der
Gerechtigkeit und des Friedens erfahrbar, indem er Menschen heilt
und eine Gemeinschaft der gegenseitigen Achtung und des Wohlwollens
stiftet. Das gesamte Wirken Jesu kann man sehen als einen Dienst an
Aufbau und Verbreitung des Reiches Gottes. Dennoch scheint es nicht
so ganz leicht zu sein, dieses Reich genau zu definieren, genau auf
den Begriff zu bringen. Es hat keine vermessbaren Landesgrenzen und
ist in keinem Atlas zu finden. Im kartographischen Sinn ist es tatsächlich
nicht von dieser Welt.
Um
zu beschreiben, was es mit diesem Reich Gottes auf sich hat,
verwendet das Evangelium mit Vorliebe Gleichnisse und zwar viele.
Ihre offene, manchmal fast schwebende Art, etwas deutlich zu machen,
ohne es festzulegen, entspricht offenbar dem Charakter des
Himmelreiches am besten. Dass am Ende der heutigen Bibelstelle die Jünger
Jesus dazu drängen, eines der Gleichnisse noch einmal zu präzisieren,
scheint mir dagegen eher ein Zugeständnis zu sein an unser
menschliches Bedürfnis nach Eindeutigkeit: Vieldeutiges,
Vielschichtiges ist für uns oft schwer aushaltbar – wir wollen
lieber ganz genau wissen, woran wir sind.
Dabei
bleibt jedes Reden über Gott unweigerlich gleichnishaft und offen,
wenn es der Unverfügbarkeit Gottes gerecht werden will. Allzu
Eindeutiges zu sagen, ist eine Versuchung für Theologinnen wie für
Exegeten. Zugleich hat aber wohl schon Jesus selbst darum gerungen,
mit seinen Gleichnissen auch recht verstanden zu werden. In dem gehörten
Abschnitt aus dem Matthäusevangelium zitiert er ein Psalmwort, um
klar zu machen, was seine Gleichnisrede soll. Er sagt: „Ich verkünde,
was seit der Schöpfung verborgen war.“ Ich lese darin die Zusage,
dass Jesu Gleichnisse das entfalten, was Gott uns immer schon
entgegenbringt: geschenkte Fülle in der Zuwendung zu uns Menschen;
das Angebot, mit dem Schöpfer/der Schöpferin selbst in inniger,
liebender Beziehung zu leben; die Verheißung von Wohlergehen und
gutem Leben für alle unter dem Schutz Gottes. Viel konkreter drücken
es die Gleichnisse auch nicht aus, viel konkreter ist es allgemein
wohl gar nicht zu fassen. Konkret wird es in alltäglichen
Situationen im Anruf Gottes an den und die Einzelne bzw. an eine
bestimmte Gemeinschaft.
Da
kann sich z.B. jemand mit Blick auf den Freundeskreis fragen: Was
konkret ist mein Senfkorn an Zuwendung, Zuhören, Mitteilen,
Mittragen etc., das ich gerufen bin, zu säen? Es mag klein aussehen
gegenüber den großen Körnern anderer, aber im Vertrauen auf das
Wirken Gottes kann ich es in die Erde geben. Mag sein, ich werde
selbst überrascht sein, wie groß der Baum wird, der daraus wächst,
und wie vielen Vögeln er zum Lebensraum wird: Reich Gottes.
Da
kann sich z.B. eine mit Blick auf ihren Beruf fragen: Was kann ich
einbringen an Sauerteig der Klugheit und Wärme, Umsicht und
Verantwortung, sodass unser Wirtschaften nicht nur dem Profit,
sondern dem guten Leben dient wie kräftiges Brot? Mag sein, das ist
eine heutige Art, die Substanz des Reiches Gottes einzubringen in
die Materie der Welt im Vertrauen, dass sie sich derart zu
vermischen vermögen, dass schließlich auch Beruf und Wirtschaft
nach Gerechtigkeit und Frieden schmecken: Reich Gottes. Da
kann sich eine Gemeinschaft fragen: Wie ist das bei uns mit dem Bedürfnis,
die Guten von den Bösen zu unterscheiden und auszusortieren? Wissen
wir wirklich so genau, wer hergehört und wer nicht? Wen Gott in
unseren Acker gesät hat und wen der Feind? Halten wir es aus, das
abschließende Urteil über jeden Menschen wirklich Gott zu überlassen?
Mag sein, im Vertrauen darauf, dass nur Gott die Herzen und die
geheimen Früchte jedes und jeder Einzelnen kennt und beurteilen
kann, erweist sich unsere Gemeinschaft als ein buntes Feld des
gesunden Wachstums für viele: Reich Gottes. Wenn
wir erfassen wollen, was es mit dem Reich Gottes auf sich hat und
was die Gleichnisse Jesu für unser Leben bedeuten, brauchen wir
Ohren, die bereit sind zu hören: auf die schwebenden Zwischentöne,
auf die nicht festzulegende Wahrheit, auf den Charme des Erzählten
ebenso wie auf den Anruf Gottes, der uns zum ganz konkretem Tun
verlocken will: Die Bereitschaft dafür wächst aus dem Vertrauen
auf die schöpferische Kraft des Reiches Gottes, von dem uns Jesus
zusagt, dass es längst unter uns und in uns begonnen hat.
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