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Erfüllte Zeit24. 07. 2005, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
Kann
ich Dir sagen, dass ich auf die Fragen, die den Menschen unserer
Zeit peinigen, Antworten gefunden habe?
Ich weiß nicht, ob ich Antworten gefunden habe.
Am Anfang, als ich Mönch wurde, ja da war ich mir sicherer,
über „Antworten“ zu verfügen. Aber je älter ich im Mönchsleben
werde und je tiefer ich in die Einsamkeit eindringe, desto
deutlicher werde ich mir dessen bewusst, dass ich erst damit
angefangen habe, die Fragen zu suchen.
Und wie heißen die Fragen?
Kann der Mensch sein Dasein mit Sinn erfüllen?
Kann der Mensch in aller Ehrlichkeit seinem Leben allein
dadurch Sinn geben, dass er eine bestimmte Reihe von Erklärungen übernimmt,
die vorgeben, ihm plausibel zu machen, warum die Welt angefangen hat
und wo sie enden wird, warum es darin Böses gibt und was man für
ein gutes Leben unbedingt braucht?
Ich
spüre die Berufung, eine Wüstenzone des menschlichen Herzens zu
erforschen, in der die Erklärungen nicht mehr ausreichen und in der
man lernt, dass einzig die Erfahrung zählt. Das ist ein dürrer,
felsiger, finsterer Bereich der Seele, der zuweilen von fremdartigen
Feuern erhellt wird, vor denen sich die Menschen fürchten und in
dem sich Gespenster tummeln, die die Menschen sorgfältig meiden und
denen sie nur in ihren Alpträumen begegnen. Und in dieser Zone habe
ich gelernt, dass man die wirkliche Hoffnung unmöglich kennen
lernen kann, ehe man nicht erfasst hat, wie sehr die Hoffnung der
Verzweiflung gleicht.
(Aus:
Thomas Merton „Zeiten der Stille“, Herder TB, übersetzt von
Bernhardin Schellenberger)
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