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Erfüllte Zeit31. 07. 2005, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
„Die Speisung der Fünftausend“ (Matthäus
14, 13 – 21) von
Veronika Prüller-Jagenteufel
Schick
sie weg! – Womöglich haben die Jünger die vielen Leute von
vornherein gestört, betroffen wie sie wohl waren durch den
gewaltsamen Tod des Täufers, mit dem die Jesusgruppe doch eine große
Übereinstimmung verband. Ihm haben seine klaren Worte dem
Machthaber gegenüber nun den Kopf gekostet. Und Jesus hält sich
mit seiner Kritik an dem, was faul ist in Staat und Gesellschaft, ja
auch nicht zurück. Ihm kann dasselbe Schicksal blühen wie Johannes
– und seinen Jüngern vielleicht auch. Also lieber zunächst
einmal Rückzug in eine einsame Gegend, Trauern und Nachdenken ist
angesagt und manche wollen wohl auch lieber ein wenig still halten
und leiser treten. Doch die Leute machen Jesus und seinen Jüngern
einen Strich durch die Rechnung: Sie gehen ihnen einfach nach.
Schick
sie weg! – Aber bei Jesus ist das Mitleid mit den Menschen größer
als sein Bedürfnis nach Rückzug, größer als seine Angst vor den
Machthabern, größer als alle klugen strategischen Überlegungen. Für
Jesus stehen die Menschen und ihre Bedürftigkeit über allem
anderen. Immer wieder stellt er sie bewusst ins Zentrum.
Schick
sie weg! – sagen die Jünger dennoch. Jetzt hast Du schon genug
Kranke geheilt, jetzt wird es Abend, die Leute müssen auch wieder
heimgehen. Einmal muss Schluss sein. Du musst Dich abgrenzen. Wenn
Du so weitermachst, landest Du unweigerlich im Burn-out.
Schick
sie weg! – Das Boot ist voll. Das bisschen, was wir haben, reicht
nicht einmal für uns. Und wir haben ohne diese anderen in ihrer Bedürftigkeit
schon genug Sorgen. Schick sie weg! „Es
ist genug für alle da!“ Unter diesem Motto lief eine der
Kampagnen der österreichischen Armutskonferenz, die damit unter
anderem auf den Riesenunterschied hinweisen wollte, den es ausmacht
– auch für unser Wirtschaften –, ob wir davon ausgehen, dass
Mangel herrscht und wir miteinander um Güter und Ressourcen
streiten müssen, oder davon, dass genug für alle da ist, dass
niemand zu kurz kommt, wenn alle miteinander fair teilen.
„Es
ist genug für alle da!“ Das ist die Erfahrung jener, die dem
Burn-out nicht primär mit noch strengerer Zeitkontrolle vorbeugen
wollen, sondern damit, dass sie das Leben so gestalten, dass sie es
leidenschaftlich lieben können. Sich mit Leidenschaft anderen
zuzuwenden ist dann oft viel weniger kraftraubend.
„Es
ist genug für alle da!“ Als Kritik an jenen, die den Profit der
verknappten Güter einstreichen, ist diese Maxime vielleicht nicht
weniger brisant als die Mahnworte biblischer Propheten. Und sie
beinhaltet die Herausforderung die eigenen Ressourcen und Potenziale
einzubringen, das scheinbar Wenige, das wir haben und tun können,
nicht gering zu achten, sondern auf die Beispielwirkung zu
vertrauen, die das Wunder des Teilens in Gang setzen kann.
„Es
ist genug für alle da!“ Das verweist auf eine Fülle, die alles
übersteigt und die niemals versiegt: eine Fülle, die wir Gott
nennen, und deren Segen und Lobpreis all das vermehrt, was wir geben
und bekommen. Sie
brauchen nicht wegzugehen: Auch Jesus stellt das Mangeldenken seiner
Jünger in Frage und traut ihnen zu, den Leuten zu essen zu geben. Fünf
Brote und zwei Fische sind immerhin ein Anfang.
Sie
brauchen nicht wegzugehen: Jesus traut den Jüngern mehr zu als die
sich selbst und vielleicht auch den Leuten. Gemeinsam machen beide
Gruppen die Erfahrung, dass genug da ist, mehr als genug, viel mehr.
Sie
brauchen nicht wegzugehen: Auch wenn das, was die Jüngerschar Jesu
zu bieten hat, nach so bitter wenig aussieht – wer sich mit ihnen
zusammen auf die Zusage Jesu einlässt, dass genug da ist, dass wir
gefahrlos teilen können, dass wir unsere Kräfte und Ressourcen
nicht eifersüchtig hüten und verteidigen, sondern großzügig
einsetzen können, die erwartet in all ihrer Bedürftigkeit die
Erfahrung von Fülle.
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