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Erfüllte Zeit14. 08. 2005, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
„Die Erhörung
der Bitte einer heidnischen Frau“ von Veronica Schwed Vergangenen Sonntag haben wir das Evangelium vom
schwankenden Glauben des Petrus gehört, diesen Sonntag wird das
Evangelium vom großen Vertrauen der kanaanäischen Frau verkündet. In beiden Texten geht es um Glauben und Vertrauen. Heute wird deutlich: Nicht die Abstammung als Jude oder
Heidin ist von vorrangiger Bedeutung, sondern im Glauben an Jesus
Christus allein fällt die eigentliche Entscheidung. Beim ersten Durchlesen erweckt dieser Text bei mir Empörung
und Zorn. Wie schlecht behandelt Jesus diese Frau! Er ignoriert
zuerst ihr Rufen, ist unberührt von ihrer Sorge um die Tochter,
weist ihre Bitte schroff ab und vergleicht sie dann auch noch mit
einem Hund unter dem Tisch. „Für dich bin ich nicht zuständig,
geh weg.“ Ich bewundere die demütige Hartnäckigkeit, mit der
diese Mutter für ihr Kind eintritt! Sie muss das Mädchen wirklich
von Herzen geliebt haben, sonst hätte sie sich das so sicher nicht
gefallen lassen! Auf den zweiten Blick muss ich allerdings eingestehen,
dass Matthäus mit dieser Erzählung die Weitherzigkeit Jesu im
Gegensatz zur Engstirnigkeit der jüdischen Gesetzeslehrer
unterstreicht: Obwohl Jesus davon überzeugt ist, dass seine Sendung
auf das Volk Israel beschränkt ist, macht er für die heidnische
Kanaanäerin eine Ausnahme und heilt ihre schwerkranke Tochter. Es wird in dieser neutestamentlichen Erzählung eine
wichtige Frage deutlich, die die ersten christlichen Gemeinden beschäftigt
hat: Ist Jesu Botschaft nur an das jüdische Volk gerichtet, oder
gilt sie der ganzen Menschheit? Müssen Christinnen und Christen
alle jüdischen Gebote und Vorschriften einhalten? Muss sich somit
ein Heide, der Christ werden möchte, zuerst der Beschneidung
unterziehen? Oder ist das Christentum ein eigener Weg, der zwar im
Judentum verwurzelt aber nicht für immer völlig an dieses gebunden
ist? Der Evangelist unterstreicht mit einem harten Vergleich
den Vorrang des Volkes Israel. Jesus sagt: „Es ist nicht Recht,
das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hunden vorzuwerfen.“ Die
Frau greift dieses Bild auf und antwortet schlau und schlagfertig:
„Ja, du hast Recht, Herr! Aber selbst die Hunde bekommen von den
Brotresten, die vom Tisch ihrer Herren fallen.“ Sie erkennt den
Vorrang Israels an, appelliert aber an die Güte und an das Erbarmen
Jesu. Dem entzieht sich Jesus nicht, sondern erkennt den großen
Glauben der Heidin. Etwas von
dem hartnäckigen Glauben und dem Vertrauen dieser Frau wünsche ich
mir, wenn ich zu kleinmütig und resigniert bin! Jesus erscheint hier als wirklicher Mensch, der
dazulernen kann, und: Er ist bereit, einen bisher unumstößlich
erscheinenden Standpunkt zu ändern. Er wächst durch die Begegnung
mit einem Menschen tiefer in seine Sendung hinein und kommt zu der
Einsicht: „Ich bin nicht nur zu meinem Volk gesandt sondern zu
allen Menschen. Gott ist der Vater aller, nicht nur der Gott meines
Volkes.“ Hier überschreitet Jesus eine nationale Enge, in der die
meisten seiner Zeitgenossen wie selbstverständlich dachten. Die Reaktion Jesu ist für Judenchristen eine Lehre, für
Heidenchristen eine Verheißung und Ermutigung. In der Begegnung mit dieser Frau wird das tiefste
Geheimnis Jesu spürbar: Hier zeigt er sich als „wahrer Mensch und
wahrer Gott“, wie es unsere Glaubenstradition ausdrückt. Der „Mensch“ wird deutlich in der wachsenden
Selbsterkenntnis und Veränderung des eigenen Standpunktes,
„Gott“ in der Kraft zur Heilung. Beide Naturen Jesu Christi, die
göttliche und die menschliche, sind in gleicher Weise ernst zu
nehmen. Ich möchte mir von diesem Evangelium die
Kompromissbereitschaft Jesu mitnehmen. Diese Weitherzigkeit möchte
ich gerne von Jesus lernen, diese Bereitschaft, meine eigenen
Prinzipien zu hinterfragen und auch zu revidieren. Albert Camus schreibt: „Man soll nicht zu viele
Grundsätze haben. Für das meiste genügt ein wenig
Barmherzigkeit.“
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