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Erfüllte Zeit15. 08. 2005, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
„Der Besuch Marias bei Elisabet“
(Lukas 1, 39 – 56) von
Dr. Helga Kohler-Spiegel Mitten
im Sommer feiern wir Marias Aufnahme in den Himmel. Es ist das älteste
Marienfest, das wir in der Kirche kennen. In der Ostkirche wird es
seit dem 5. Jahrhundert gefeiert und heißt „Entschlafen
Marias“, in der Westkirche seit dem 6. Jahrhundert und wird
„leibliche Aufnahme Marias in den Himmel“ genannt. Papst Pius
XII. hat 1950 nach Befragung aller Bischöfe diese leibliche
Aufnahme zur ausdrücklichen Lehre der katholischen Kirche erhoben
– was zu zahlreichen Auseinandersetzungen führte. An
Maria Himmelfahrt feiern wir, dass an Maria stellvertretend
geschieht, was uns allen für das Sterben zugesagt ist: Dass wir
nicht im Tod bleiben werden, sondern aufgenommen sind bei Gott. Dass
nicht nur unsere Seele bei Gott sein wird, sondern unsere
„Person“, mit unserer jeweiligen Geschichte, unseren
Erfahrungen, unserem Leben. Nichts geht verloren – wir werden
„ganz bei Gott sein“. Wir feiern, dass auch unser Leben mit
einer Himmelfahrt enden wird, wie Wilhelm Willms formuliert: gott es
kann nicht sein es
darf nicht sein dass
unser leben in
nichts endet dass
unser leben eine
todesfahrt ist irgendwo
ein
unglück und
alles aus reiner
zufall alles
aus pech
gehabt alles
aus krebs herzinfarkt autounfall alles
aus das
kann nicht sein … Heute
feiern wir dass
unser leben eine
himmelfahrt ist eine
fahrt mit
einer endstation die
all unsere hoffnung übersteigt fahrt
mit endstation himmel … gott
ja noch
leben wir im dunkel noch
ist unser blick verstellt
von wolken mauern
wänden zuständen verstellt
von
unserem kleinen verstand von
unseren blinden augen verstellt
von menschen aber
wir feiern heute nicht
irgendwas wir
feiern unsere himmelfahrt … (Wilhelm
Willms, mit gott im spiel, Sprachspuren des Kirchenjahres, Kevelaer
1982, 164f) Wir
feiern unsere Himmelfahrt, denn an Maria wird sichtbar, was uns
allen zugesagt ist, dass unser Leben nicht im Nichts, sondern bei
Gott endet. Die Stellung Marias ist vielschichtig. In der Theologie
wollen die Aussagen über Maria deutlich machen, wer Jesus ist. Der
Titel „Gottesmutter“, der im 4. Jahrhundert in der
alexandrinischen Theologie entstanden ist und im Konzil von Ephesus
431 bestätigt wurde, zielt auf Jesus: Jesus war von Anfang an
„wahrer Gott und wahrer Mensch“, in Jesus sind Mensch und Gott
eins. Deshalb ist Maria, die den Menschen Jesus zur Welt gebracht
hat, zugleich auch Gottesgebärerin und Gottesmutter. Die Aussagen
über Maria wollten zuerst die Aussagen über Jesus absichern, sie
haben sich aber schnell verselbstständigt. Maria hat die Sehnsucht
der Menschen angeregt und in der Frömmigkeit viel ausgelöst.
Zwischen Hingabe und Ablehnung suchen Männer und vor allem Frauen
immer wieder auch nach neuen Zugängen zu Maria, der heutige
Textabschnitt aus dem Lukasevangelium kann einen solchen Zugang zu
Maria eröffnen. Die Begegnung Marias mit dem Engel, „Maria Verkündigung“
genannt, geht dem heutigen Text voran. Dort wird Maria nach
biblischem Muster zur Prophetin berufen, sie sagt: „Ja, ich bin
die Magd Gottes“. Dieses Magd-Sein hat viele Missverständnisse
ausgelöst. In der Bibel ist ein Prophet „Knecht Gottes“, die
weibliche Form dazu heißt „Magd Gottes“. Leider klingt dieses
Wort so unterwürfig in der deutschen Sprache, es wäre besser
gewesen, Marias Prophetinsein wäre mit „Ja, ich bin die Knechtin
Gottes“ übersetzt worden. Im
heutigen Abschnitt ist Maria in Verbindung mit ihrer älteren
Verwandten Elisabeth genannt. Eine wunderschöne Freundschaft
zwischen diesen beiden Frauen ist uns erzählt: Die zu alte Frau und
die zu junge Frau bekommen ein Baby, sie tun sich zusammen und
finden miteinander Kraft für diesen ungeplanten Neuanfang. Gott
kommt, das erleben Menschen immer wieder, ungeplant ins Spiel - und
bei Anlässen, die zuerst so gar nicht „göttlich“ aussehen.
Unerwartete Schwangerschaften werden selten als „göttlich“
wahrgenommen. Hier schon. Ein ungeplanter Neuanfang – das kennen
wir aus der Bibel, das kennen wir aus dem Leben. Viele unserer
„Neuanfänge“ sind nicht geplant, oft waren es schmerzhafte
Neuanfänge, die wir uns nicht ausgesucht haben, die wir nicht
gewollt haben. Und
- Lukas erzählt Beziehungsgeschichten. Er nimmt Menschen häufig in
Beziehung wahr – am Anfang des Evangeliums sind es die beiden
Frauen, am Ende sind es die beiden Emmaus-Jünger, die unerwartet
Jesus begegnen. Für Lukas geschieht die Begegnung mit Gott in
Beziehungen, und sie geschieht unerwartet. Daran erinnert uns Maria
und ihr Leben – auch am heutigen Feiertag.
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