Erfüllte Zeit

04. 09. 2005, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

Wach werden und glücklich sein

 

Man brachte uns bei, zum Glück gehöre Geld, Erfolg, ein gut aussehender Partner bzw. eine Partnerin, ein guter Job, Freundschaft, Spiritualität, Gott  – . Solange Sie das  nicht bekommen, werden sie auch nicht glücklich sein, wurde uns gesagt. Genau das nenne ich „sein Herz an etwas hängen“. Dieses Verhaftetsein besteht in dem Glauben, dass man ohne etwas Bestimmtes nicht glücklich werden könne. Ist man erst einmal davon überzeugt – und das dringt tief in Ihr Unterbewusstsein ein, in die Wurzeln Ihres Seins – sind Sie erledigt. „Wie könnte ich glücklich sein, wo mir doch die Gesundheit zu schaffen macht?“ heißt es dann.

 

Machen Sie eine kleine Übung, die Sie nur ein paar Minuten Zeit kostet: Denken Sie an etwas oder jemand, an dem Sie hängen; oder, mit anderen Worten, an etwas oder jemand, ohne das oder den Sie meinen, nicht glücklich sein zu können. Das kann Ihre Arbeit, Ihre Karriere, Ihr Beruf, Ihr Freund, Ihr Geld, oder was auch immer sein. Dann sagen Sie zu der Sache oder dem Menschen: „Ich brauche dich wirklich nicht, um glücklich zu sein. Ich führe mich nur selbst in die Irre, wenn ich glaube, dass ich ohne dich nicht glücklich sein kann. Doch in Wirklichkeit brauche ich dich nicht zu meinem Glück, ich kann ohne dich glücklich sein.“

 

Gestehen Sie es sich vielleicht nur im geheimsten Winkel Ihres Herzens ein. Auf jeden Fall werden Sie in Kontakt zur Wahrheit kommen und eine Illusion zerbrechen. Glück ist ein Zustand von Illusionslosigkeit, des Entledigtsein von Illusionen.

 

Ich hatte zwar Angst, es zu sagen, aber ich sagte auch zu Gott, dass ich ihn nicht bräuchte. Meine erste Reaktion war: „Das steht zu allem, was ich gelernt habe, im glatten Widerspruch.“ Manche möchten auch bei ihrer Bindung an Gott eine Ausnahme machen. Sie sagen: „Wenn Gott der ist, der er meiner Meinung nach sein sollte, wird es ihm nicht gefallen, wenn ich meine Bindung an ihn aufgebe!“ Gut, wenn Sie meinen, dass Sie ohne Gott nicht glücklich sein können, dann hat der „Gott“, an den Sie denken, mit dem wirklichen Gott nichts zu tun. Sie denken an einen Traumzustand, an Ihren Begriff. Manchmal müssen Sie „Gott“ loswerden, um Gott zu finden. Viele Mystiker lehren uns das.

 

(Aus: „Der springende Punkt. Wach werden und glücklich sein“, von Anthony de Mello, Herder Verlag)