Erfüllte Zeit

11. 09. 2005, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Das Gleichnis vom unbarmherzigen Gläubiger“ (Matthäus 18,21 – 35)

von Gernot Grammer

 

 

Vor zwei Wochen haben wir uns hingesetzt und gerechnet.

Wir: das sind fünf St. Florianer Mitbrüder, die mit Rat und Tat den Propst in der Leitung der Gemeinschaft unterstützen.

 

Wir haben errechnet dass es im Jahr 2010, in fünf Jahren also, nur mehr elf Priester in unserer Gemeinschaft geben wird, die unter 60 Jahre alt sind.

 

Das macht Druck.

 

Einerseits beten wir um geistliche Berufe.

Jesus ermuntert uns ja: „Bittet den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden.“

 

Andererseits überlegen wir, was WIR machen können um Männer für unseren Orden zu interessieren.  

 

Ich persönlich bin überzeugt, dass es auch eine Frage der Glaubwürdigkeit ist, Menschen für unseren Auftrag in unser Haus gewinnen zu können – und da sind wir schon mitten im Evangelium.

 

Wir haben heute das Ende der Erzählung vom Wirken Jesu in Galiläa gehört.

Jesus will, dass sein Wort durch unser Tun glaubwürdig wird.

 

Er will dass im Miteinander der Menschen, die ihm als Getaufte nachfolgen, sichtbar wird, was er vom Vater erzählt und was er selbst vorgelebt hat.

Ja, durch unser Reden und Handeln soll glaubwürdig werden was wir verkünden oder was wir beten.

 

Wir werden dann würdig, dass man uns glaubt was wir sagen, wenn wir auch handeln wie wir sagen.

 

Aber da spießt es sich schon. Es ist schwer über den eigenen Schatten zu hüpfen.

Eben nicht den Gesetzmäßigkeiten des Egoismus zu folgen, sondern Barmherzigkeit walten zu lassen. Das kennen alle von uns.

Der Heilige Augustinus kannte das auch. Unser Regelvater hat die Erfüllung der Gebote nicht nur vertikal im Verhältnis zu Gott empfohlen, sondern auch horizontal, in den zwischenmenschlichen Beziehungen.

Und Augustinus hat das Gebet neben einen guten zwischenmenschlichen Umgang miteinander gestellt.

 

Er sagt im zehnten Kapitel seiner Regel: wenn zwei einander beleidigt haben, müssen sie sich auch gegenseitig vergeben. Und das müssen sie um ihrer Gebete willen.

Je häufiger ihr betet, desto besser sollt ihr beten.

 

Eine intensive vertikale Beziehung - eine Beziehung zu Gott - braucht einen gemittelten Schnittpunkt mit einer horizontalen – mit einer vergebenden, liebenden Beziehung zu den Mitmenschen.

 

„Hütet euch vor verletzenden Reden“, sagt Augustinus. „Sind sie aber eurem Mund entschlüpft, dann sträubt euch nicht, mit demselben Mund, der die Wunde geschlagen hat, auch das Heilmittel zu bieten.“

 

Am Anfang dieser Überlegungen habe ich gesagt: ich persönlich bin überzeugt, dass es auch eine Frage der Glaubwürdigkeit ist, Menschen für unsere Gemeinschaft gewinnen zu können.

 

Ich meine es braucht die erlebbare Beziehung zum Leben spendenden Gott.

Wenn wir uns diese Beziehung als eine vertikale Linie vorstellen, dann soll durch deren Mitte die horizontale Linie durchgehen. Das ist die Beziehung zu meinen Nächsten, der liebende, der barmherzige und der verzeihende Umgang mit ihnen.

 

Menschen, besonders aber jüngere Menschen sind sensibel darauf, ob diese beiden Linien in einem harmonischen Verhältnis zueinander stehen.

 

Der Blick auf ein religiös-spirituell begründetes Leben, zum Beispiel in einer Ordensgemeinschaft steigert diese Sensibilität.

Letzte Woche haben wir in einem Gottesdienst gebetet:

 

Gott wir danken dir, dass du uns hier zusammengeführt hast.

Lass uns erkennen, was wir sind.

Lass uns glauben, was wir beten.

Lass uns tun was du uns sagst.

 

Ja, Herr – hilf uns dabei.