Erfüllte Zeit

02. 10. 2005, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

  

Johannes Klimakus über das Gebet

 

 

Die, deren Geist wirklich zu beten gelernt hat, sprechen mit dem Herrn von Angesicht zu Angesicht so wie bei der Audienz mit dem Kaiser. Die mit dem Munde beten, gleichen jenen, die sich niederwerfen vor dem Kaiser im Angesichte des ganzen Hofes. Alle, die in der Welt leben, richten ihre Bitten an den Kaiser in der lärmenden Schar des Volkes. Wenn ihr in rechter Weise zu beten gelernt habt, dann gibt es nichts mehr für euch zu lernen. Die Gottesversenkung ist ein vollständiges Freisein von jeglicher Sorge über vernünftige oder unvernünftige Dinge. Wie ein kleines Sandkörnchen die Augen trübt, so genügt eine kleine Sorge, um die Gottversenkung zu stören. Sie ist ja die Ausschaltung aller Gedanken und jeglicher Sorgen. Der ungetrübte Seelenhimmel kennt nicht das kleinste Sorgenwölkchen, selbst nicht um den eigenen Körper. Wenn ihr mit jedem Atemzug an Jesus denkt, dann werdet ihr den reichen Gewinn der Gottversenkung verstehen.

 

Vermeidet in eurem Gebet viele Worte. Ein einziges Wort genügte, um dem Zöllner und dem verlorenen Sohn die göttliche Verzeihung zu schenken. Stellt keine langen Überlegungen in eurem Gebet an. Wie oft rührt den Vater das einfache und immer wiederholte Stammeln des Kindes. Lasst euch deshalb nicht auf lange Gedankengänge ein, damit ihr euren Geist nicht mit dem Suchen nach Worten zerstreut. Gedankenfülle im Gebet erzeugt Bilderfülle und lässt den Geist zerfließen, während ein immer wiederholtes Wort den Geist sammelt.

 

 

(Aus: „Kleine Philokalie“, übersetzt von Matthias Dietz , Verlag Benziger)