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Erfüllte Zeit09. 10. 2005, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
„Das Gleichnis vom königlichen
Hochzeitsmahl“ (Mt. 22, 1 – 14) von
Regens Josef Suntinger
Der
heutige Text macht es uns nicht leicht, ihm zu folgen: Allzu sehr spüren
wir die Brüche, die er aufweist, und eine schwer nachvollziehbare
Logik, etwa in der drastischen militärischen Strafexpedition gegen
eine ganze Stadt, weil einige aus fadenscheinigen Gründen der
Hochzeitseinladung des Königs nicht gefolgt sind, oder im brutalen
Rauswurf eines Gastes, der ohne Hochzeitsgewand erscheint.
Dahinter
mögen erschütternde Ereignisse in der Geschichte der frühen
Kirche stehen, wie die völlige Zerstörung Jerusalems im Jahr 70,
die eine Deutung verlangen, oder für uns heute schwer fassbare
Zusammenhänge in der Gemeinde des Matthäus.
Eine
Deutung des schwierigen Textes hat mir ein Engel erschlossen: Als
ich mich zur Betrachtung dieses Evangeliums in einer Klagenfurter
Pfarrkirche eingefunden hatte, nahm ich plötzlich über dem
Tabernakel eine Engelsfigur wahr, die mit einer Hand auf das große
Kreuz an der Apsiswand der Kirche und mit der anderen auf den Altar
weist.
Das
Kreuz macht deutlich: Die Einladung, von der im Evangelium
gesprochen wird, ist die Liebe Gottes, wie sie uns in der Hingabe
des Herrn am Kreuz in unüberbietbarer Weise vor Augen tritt. Davon
singt das Lied Davids im Psalm 103: „Lobe den Herrn, meine Seele,
und alles in mir seinen heiligen Namen! All deine Schuld vergibt er,
alle deine Gebrechen heilt er. Aus dem Untergang erlöst er dein
Leben, er krönt dich mit Erbarmen und Liebe. Denn so hoch der
Himmel über der Erde, so machtvoll ist seine Liebe über denen, die
ihn fürchten.“ Mit
der Hochzeit ist die Verbindung Gottes mit uns Menschen in seinem
Mensch gewordenen Sohn gemeint. Weil in Jesus der ewige Gott mit uns
irdischen, gebrechlichen und vergänglichen Menschen „ein
Fleisch“ (Gen 1) geworden ist, können wir Teil haben an seinem
unvergänglichen, herrlichen Leben.
Das
macht das Geheimnis seiner Liebe und unseres Lebens aus. Die
Hochzeit von Himmel und Erde findet seinen sichtbaren Ausdruck in
der Feier der Eucharistie. In ihr wird die Liebe Gottes zu uns
erneuert. Sie spricht uns an, bewegt und verwandelt uns. Sie bewirkt
in uns eine tief empfundene Freude und einen Frieden, wie ihn uns
die Welt aus sich nicht geben kann. Und sie drängt uns, die Liebe
Gottes weiterzuschenken und sie anderen Menschen in den
Anforderungen des Alltags zu bezeugen.
Eingeladen
dazu sind alle. Moralische Integrität ist aber offensichtlich
gerade nicht Zulassungsbedingung. Gute und Böse werden eingeladen.
Notwendig ist es vielmehr, das Geschenk der Liebe Gottes anzunehmen
und daraus zu leben. Kann es sein, dass manche in den Kirchenbänken
sitzen, aber noch immer nicht begriffen haben, dass sie die Liebe
Gottes nicht erst verdienen müssen, sondern sie ihnen immer schon
geschenkt ist, und sie sie nur mit ganzem Herzen annehmen und sich
von ihr verwandeln lassen müssen? So jedenfalls könnte der Gast
ohne Hochzeitsgewand gedeutet werden. Und es käme dem brutalen
Rauswurf nahe, einmal erkennen zu müssen, dass wir uns Seiner Liebe
im Letzten verschlossen haben.
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