|
||||
Erfüllte Zeit01. 01. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
"Die
Geburt Jesu" (Lukas 2, 16 - 21) Kommentar:
Univ. Prof. Martin Jäggle
Wohl
wissend um die großen Themen des heutigen Evangelientextes, will
ich am Beginn eines neuen bürgerlichen Jahres die Aufmerksamkeit
auf einen kleinen Aspekt richten. Dieser - auf den ersten Blick so
klein scheinende - Aspekt ist aber von einschneidender Bedeutung und
hat weitreichende Folgen. Lukas
– und nur er - schreibt: „Und als acht Tage vorüber waren und
das Kind beschnitten werden sollte,...“ (V. 21a).
Ein
klarer Sachverhalt, jeder Frau und jedem Mann eigentlich geläufig,
Jesus wurde der Tora gemäß beschnitten. Das Buch Genesis enthält
den entsprechenden Auftrag an Abraham: „Alle männlichen Kinder
bei euch müssen, sobald sie acht Tage alt sind, beschnitten werden
in jeder eurer Generationen... So soll mein Bund, dessen Zeichen ihr
an eurem Fleisch tragt, ein ewiger Bund sein.“ (Gen 17,10-12)
Welche
Konsequenzen ergeben sich aber aus dieser kleinen, fast beiläufigen
Notiz bei Lukas?
Manchmal
scheint sie bedeutungslos zu bleiben, wie das folgende Beispiel
zeigen kann: Vor
einigen Jahren wurden 11-jährige Gymnasiasten befragt, welcher
Religionsgemeinschaft Jesus wohl angehörte. Einhellig waren sie der
Meinung: „Jesus war Christ.“ Darüber aufgeklärt, dass dies aus
vielen Gründen nicht möglich wäre und er ja in einer jüdischen
Familie aufgewachsen sei, antworteten sie mit Nachdruck: „Das mag
alles richtig sein, aber er hat sich doch taufen lassen.“
Offensichtlich
war Jesus, der Jude, zulange – nobel ausgedrückt – ein
unterbelichtetes Thema. Unser heutiger Text lässt keinen Zweifel: Jesus war Jude – von einer jüdischen Mutter geboren und nach dem Gesetz beschnitten.
Jesus selbst trägt also das Zeichen des ewigen Bundes Gottes mit seinem Volk und er wächst als gläubiger Jude auf. Ziemlich sicher ist er vom ersten Augenblick seines Lebens an in den Glauben Israels eingeführt worden. Seine engeren und weiteren Verwandten hielten sich an die Tora, sie orientierten sich an den Weisungen Gottes. Der Zeit entsprechend lernte Jesus von klein auf diese Glaubenstraditionen auswendig, wurde er vertraut mit den Formen und Formeln, in denen die Erfahrung des Volkes mit seinem Gott Gestalt gefunden hat. Er feierte die Feste mit, allen voran den Schabbat, und stellte als Jüngster wahrscheinlich die berühmten Fragen beim Sedermahl. Jesus lebte und starb als gläubiger Jude. Er blieb seiner Beschneidung, dem Zeichen des ewigen Bundes Gottes treu.
Und wieder zu unserer Ausgangsfrage zurück: Welche Konsequenzen ergeben sich aber aus der kleinen, fast beiläufigen Notiz?
Was
bedeutet es, dass jenes Kind, das den Namen Jesus – also „Gott
wird retten“ – bekommt, beschnitten wird? Was
bedeutet es für unser Verhältnis zum Judentum heute, dass Jesus gläubiger
Jude war? Was
bedeutet es für unser Bekenntnis von Jesus, dem Christus, dass
Jesus gläubiger Jude war?
Prof.
Kurt Schubert hat einmal formuliert: „Durch Jesus sind wir
Heidenchristen in den Bund Gottes mit seinem Volk hineingenommen.“
Was bedeutet diese „Mittlerschaft“ Jesu für die gläubige
Existenz von uns Christen?
Der Tag des Judentums, eine ökumenische Initiative nicht nur in Österreich, wäre eine gute Gelegenheit, diesen Fragen weiter nachzugehen. Er findet am 17.Jänner statt.
|