Erfüllte Zeit

25. 04. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

"Die Erscheinung des Auferstandenen am See" (Johannes 21, 1 - 19)
Kommentar: Pater Leo Wallner

 

„Keiner von den Jüngern wagte ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war.“ Eine eigenartige Formulierung – und eigentlich ganz gegen unsere Logik des Entweder – Oder: Entweder sie kennen den Mann am Ufer, oder sie kennen ihn nicht. Wenn sie ihn aber kennen, dann ist eine Frage ja sowieso überflüssig. Aber der Satz steht so da. Und offenbar wollte der Evangelist damit etwas Bestimmtes ausdrücken.

 

„Keiner von den Jüngern wagte ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war.“ Könnte die Situation des gläubigen Menschen treffender ausgedrückt werden als in dieser Schwebe und Spannung von Fraglichkeit und gleichzeitiger Gewissheit? Unlängst auf der Autobahn etwa, wie Sie da „um ein Haar“ einen Unfall gebaut hätten: dass es nicht dazu gekommen ist, war das nur ein glücklicher Zufall, oder „wissen“ Sie, „dass es der Herr war? Und dass in unserer Kirche der Wunsch nach Offenheit und Barmherzigkeit, nach Ernstgenommenwerden und vertrauen können immer stärker wird und sich Gehör verschafft, ist das Zeitgeistigkeit und Demokratismus, wie das manche meinen? Oder zeigen sich da „Zeichen der Zeit“, von denen Jesus fordert, dass man sie erkennen soll?

 

Anders gefragt: Darf man in solchen konkreten Zusammenhängen oder auch in scheinbar ganz alltäglichen Erlebnissen darauf vertrauen, ja, wie das Johannesevangelium formuliert, darf man dabei „wissen, dass es DER HERR ist?“

 

Im übrigen ist die im Evangelium geschilderte Szene zunächst alles andere als unwirklich: Da sind ganz schlicht ein paar Apostel, genau gezählt ihrer sieben, die von Jerusalem in die galiläische Heimat zurückgekehrt sind. Unter ihnen interessanterweise auch Thomas, der doch im Kapitel davor, das am letzten Sonntag gelesen wurde, den auferstandenen Jesus an seinen Wunden identifiziert hat! Jetzt sind sie trotzdem alle miteinander sozusagen „geheilt“ von ihren großen Hoffnungen und Plänen, und kehren zurück zu ihrem alten Gewerbe: „Ich geh fischen! Geh’n wir auch fischen!...“ Und sie fangen nichts in dieser Nacht!

 

Dann ist da aber auf einmal dieser eigenartige Fremde, der doch wieder nicht fremd ist... Sie lassen sich von ihm sogar belehren in ihrer ureigenen Profession und haben auf einmal das Netz voller Fische! Einer von ihnen –  „der, den Jesus liebte“ – hat offenbar das bessere Feeling, das richtige Gespür, für diesen Jesus! Und der andere, der spontane Simon Petrus, verlässt sich drauf und wird aktiv, das heißt: er springt kurzerhand ins kalte Wasser...!

 

Und dennoch: von ihnen allen, von Thomas genau so wie von Petrus, steht da dieses eigenartige „Keiner von den Jüngern wagte ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es DER HERR war!“

Das ändert sich auch nicht in dem nachfolgenden Dialog. Dreimal fragt Jesus den Petrus nach seiner Liebe, ob die wirklich größer ist als die der anderen, derer, die nicht so spontan springen! „Und wenn alle dich verlassen, ich nicht!!“ So hat er einmal geschworen – gar nicht so lang her! Dreimal hat er verleugnet, dreimal kann er nun – von Mal zu Mal bescheidener –  gutmachen!

Und dann ist es dennoch Petrus und nicht etwa der „Jünger den Jesus liebte“, dem die feierliche dreimalige Beauftragung gilt: vom Fischer zum Hirten, zu dem, der nun an Stelle des zum Vater erhöhten Guten Hirten dessen Herde weiden soll: „Weide meine Lämmer, weide meine Schafe!“

 

Aber gleich drauf nicht minder feierlich: „Amen, amen, das sage ich dir...“ Und was mit dem Ausstrecken der Hände und dem Geführt-werden des Petrus – „wohin du nicht willst!“ – gemeint war, weiß der Evangelist offenbar bereits, weil er hinzufügt: „Das sagte Jesus, um anzudeuten, durch welchen Tod er Gott verherrlichen würde.“ Bis in diesen Tod hinein ist der „Felsenmann“ derselbe geblieben: ein Vollblutmensch, den man darum auch als Sanguiniker bezeichnet hat: schnell begeistert und zu Versprechungen bereit, und dann doch wieder seiner Schwäche erliegend, vielleicht, weil er es allen recht machen will...

 

Neben vielen Texten im Neuen Testament, die Petrus so darstellen, hat die berühmte „Quo vadis“-Legende meiner Meinung nach den Nagel auf den Kopf getroffen. Nach ihr ist Petrus auf dringliche Bitten seiner Mitchristen nach anfänglicher Weigerung dann doch vor Neros Verfolgung aus der Stadt Rom geflohen. Auf der Via Appia – heute erinnert dort die "Quo-vadis-Kapelle" an diese Erzählung! – ist ihm auf einmal Christus begegnet.

 

„Domine, quo vadis – Herr, wohin gehst du?“ Die Legende zitiert damit eine Frage, wie sie derselbe Petrus bereits einmal im 13. Kapitel des Johannesevangeliums (v. 36) gestellt hat. Als aber Christus antwortet, dass er nach Rom geht, um sich noch einmal kreuzigen zu lassen, beginnt Petrus bitterlich zu weinen und kehrt um. In Rom angekommen und zum Kreuzestod verurteilt, verlangt er, mit dem Kopf nach unten gekreuzigt zu werden, weil er nicht würdig sei, genau so wie sein Herr zu sterben...

 

So ist Petrus als Zeuge für den Glauben an Jesus gestorben, ohne die Frage zu stellen: „Wer bist du?“, weil er „wusste, dass es DER HERR ist.“