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Erfüllte Zeit02. 05. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
„Ich
gebe meinen Schafen ewiges Leben"
Die
Worte, die Sie soeben gehört haben, stammen aus der Hirtenrede
Christi. Christus offenbart sich als „der gute Hirte“ und setzt
sich deutlich ab von allen anderen Autoritäten oder Hirten. Er und
sein Wort sind eine Provokation für alle religiösen oder
geistlichen Machthaber. Er ist auch der absolute Maßstab für das
kirchliche Hirtenamt. Eine brisante Rede. Nachher will man ihn
erschlagen. Er
sagt: „Ich bin der gute Hirte für euch, bin also Hirte wie
niemand anderer. Noch mehr: Ich bin Hirte, wie Gott, wie Jahwe der
Hirte seines Volkes ist. Niemand darf sich also zwischen mich und
die Menschen drängen. Nicht die damaligen jüdischen Autoritäten.
Auch nicht kirchliche Autoritäten. Ich gebe mein Leben für die
Schafe. Ich will sie nicht vereinnahmen, ihnen nichts wegnehmen, sie
nicht unter Druck setzen. Ich gebe mein Leben für die Schafe. Sie
sollen leben, aufleben, auferstehen. Sie sollen leben in Fülle
finden und erfahren. Die
Worte des Evangeliums werden in den Kirchen verkündet – jetzt in
der österlichen Festzeit, die bis Pfingsten dauert. Wir dürfen sie
also hören im Zusammenhang mit dem Karfreitag und mit der
Osternacht. Sie sind die Antwort Christi auf unser Taufbekenntnis in
der Osternacht. Um
den Zugang zu finden, versuchen wir Christus anzuschauen. Er ist
der, mit dem die Menschen machen, was sie wollen. Am Karfreitag war
das so. Heute ist es nicht anders. Für viele ist er heute
allerdings ein Niemand geworden. Aber das zerbricht und verbittert
ihn nicht. Er hat eine Liebeskraft wie niemand anderer. Sie bleibt
auch nach tausend Kreuzigungen unzerstörbar lebendig und kann uns
unerwartet berühren. Das passiert oft, wie ich weiß. Wir Christen
sagen: Er ist auferstanden und lebt heute. Er spricht heute und sagt
Worte, die unser Innerstes berühren. Oder
anders: Es gibt kostbare Augenblicke, wo uns ein wunderbarer und
grundehrlicher Mensch anspricht, uns in die Augen schaut, und Worte
sagt, die tief berühren, und aufhorchen lassen. Es wird uns warm
ums Herz. Von dieser Art ist Christus. Ich weiß es. Meine
Schafe hören auf meine Stimme. Schafe kennen die Stimme ihres
Hirten genau. Sie täuschen sich nie. Wie unsere Haustiere auch. Wir
Menschen haben ein gutes Gespür für eine ehrliche Liebe und für
Christus. Ich sage ihnen offen: Sie haben ein gutes Gespür für
das, was wirklich von Christus kommt und nicht von anderen Stimmen,
Gedanken oder Meinungen. Auch in Predigten können mehr andere
Stimmen, weniger die Stimme Christi durchkommen – sie werden sich
dann langweilen, oder ärgern, oder abschalten. Sie spüren
instinktiv, dass da etwas nicht aufleben macht. Sie hören auf meine
Stimme. Und
sie folgen mir. Das Innerstes antwortet. Ich weiß plötzlich: das
muss ich tun, das kann ich tun. Ich kann es schwer wegschieben. Ich
bin angerufen worden. Ich weiß es. Sie tun dann etwas, was niemand
anderer ihnen gesagt hat. Sie folgen mir. Das sind kostbare innere
Vorgänge, frei von Furcht und Zwang, fern vom alltäglichen Betrieb
und Geschwätz. Ich werde dadurch ich selbst, entdecke meine persönliche
Identität und Berufung. Ich werde Christ. Sie folgt mir. Und
ich kenne sie. Das ist das Schönste. Das meint die ehelich-intime
Begegnung und Erfahrung. Mit anderen Worten: Sie erleben mich. Sie
wissen sich erkannt. Sie erfahren eine Liebe, die es in der Welt
nirgends gibt und ein Einssein, das sie nicht begreifen können. Das
passiert in vielen Christen. Ich weiß es. Die wenigsten reden darüber.
Diesbezüglich hat Rahner das berühmte Wort gesagt: Der Christ der
Zukunft wird Mystiker sein, das heißt, einer, der etwas erfahren
hat, oder er wird nicht sein. Die Erfahrung: Ich kenne dich! „Sie
werden niemals zugrunde gehen. Und niemand wir sie meiner Hand
entreißen.“ Dieses Wort ist in den Tagen des Caesars Domitian
geschrieben worden, der die Christen vernichten wollte. Jesus ist
absoluter Halt im Getriebe des Lebens, auch in schrecklichsten
Stunden. „Du wirst niemals zugrunde gehen. Und niemand wir dich
meiner Hand entreißen.“ Jesus gibt Halt. Sie werden es erfahren. Hier erübrigt sich der Einwand vieler: Wir wollen erwachsen und mündig sein. Wir wollen nicht Schafe sein. Wir sind aber oft Schafe in der Hetzjagd des Lebens, wenn Panik ausbricht und alle rennen. Wir werden manipuliert und vereinnahmt. Wir verfallen der Propaganda. Wir verfallen Demagogen. Politische Führer haben im vergangenen Jahrhundert Millionen Menschen zu Schlachtschafen gemacht. Es gibt Situationen, wo kein Mensch und keine Gemeinschaft mehr helfen können. Es wird darauf ankommen, dass wir uns diesem guten Hirten im Taufbekenntnis in die Hand geben. Er nimmt das ganz ernst. Ich weiß es. Oft frage ich mich: Was wäre aus meinem Leben ohne Christus geworden? Er sagt: „Niemand wird dich meiner Hand entreißen. Du wirst niemals zugrunde gehen.“
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