Erfüllte Zeit

31. 05. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

„Das Ziel der Sendung Jesu“
(Johannes 3, 16 – 21)

Kommentar: Veronica Schwed

 

Ich schätze die Gedanken und die Sprache des Evangelisten Johannes. Worte haben bei ihm ihre eigene Bedeutung, ihren besonderen Sinn.

Manchmal sind sie aber missverständlich und schwierig, so wie im heutigen Evangelium.

Wenn Johannes von der Welt spricht, kann entweder die von Gott geschaffene, geliebte Welt gemeint sein, oder die Welt der Menschen. Häufig meint er damit jedoch die gottferne, verlorene Menschheit, die sich von Gott abgewandt hat und dem Licht verschließt.

Johannes setzt sich mit dem Weltbild der Gnosis auseinander, einer philosophisch-religiösen Weltanschauung in Kleinasien, Ägypten, Griechenland und Rom im ersten und zweiten Jahrhundert.

 

Das Weltbild der Gnosis ist dualistisch. Gnostisches Denken zieht eine scharfe Trennlinie zwischen Gut und Böse, Geist und Materie, Licht und Finsternis, weiß und schwarz.

Dieses Denken gilbt es auch noch 1900 Jahre später. Menschen versuchen, andere klar als gut oder böse zu bewerten.

Sie nehmen sich heraus, zu wissen, wer gerettet und wer gerichtet wird. Sie teilen Länder in Schurkenstaaten und ethisch hoch stehende Staaten ein.

Im biblischen Zeugnis des Johannes wird dieses Weltbild christlich gedeutet und weitergeführt. Der Evangelist verwendet weiß und schwarz, verkündet Gottes Gutsein und die Güte seiner Schöpfung, erschrickt vor dem Widergöttlichen und dessen Macht und Finsternis.

Sein Weltbild ist allerdings fein gerastert. Er hat ein Gespür für die Verwobenheit von Gut und Böse, für das Nebeneinander von Licht und Finsternis, für die Schattierungen von schwarz und weiß.

Es gibt keinen Menschen, der absolut gut oder absolut böse ist. Noch viel weniger gibt es ein ganzes solches Volk.

 

In Freiheit und Verantwortung muss sich jeder Mensch Tag für Tag neu zwischen Gut und Böse entscheiden. Jede und jeder von uns ist dazu angehalten, das eigene Gewissen zu bilden, Gott im eigenen Leben zu suchen und den Weg zu gehen, der ihm bzw. ihr entspricht.

 

Der heutige Text, der auf den ersten Blick so missverständlich ist, spricht, wenn man genauer hinsieht, von der Liebe Gottes zu seiner Schöpfung und von der Verantwortung der Menschen.

Da heißt es: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.“

 

Die Absicht Gottes ist die Rettung der Menschen!

Gott will nicht strafen, klein machen, verdammen, sondern erwählen und retten!

Jesus Christus ist die Mensch gewordene Liebeserklärung Gottes!

Der Evangelist schreibt aber auch: „Wer an Jesus glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an den Namen des einzigen Sohnes Gottes nicht geglaubt hat.“

 

Es braucht keinen Richter von außen. Wer die Mensch gewordene Liebe Gottes ablehnt, richtet sich selbst. Wenn jemand diese Liebeserklärung missachtet, stellt er sich selbst außerhalb der Gemeinschaft der Menschen untereinander und der Menschen mit Gott.

Gott wartet.

Gott bietet an.

Aber Gott zwingt nicht, er drängt sich nicht auf.

 

Ich begreife nicht, warum Gott so zurückhaltend ist und überhaupt all das Schlechte zulässt. Ich begreife es nicht und ich halte es schwer aus. Wäre es nicht viel besser, er ließe nur das Gute zu?

 

Kein Krieg, keine Gewalt, kein Missbrauch…

Himmel auf Erden!

Das ist Entmündigung des Menschen.

Was ist dann Freiheit?

Was ist dann der Mensch?

Gott lässt Gut und Böse zu.

Das ist sein Vertrauensbeweis an uns.

Gott traut uns das Gute zu, aber er lässt uns die Wahl.

Freude und Leid, Gut und Böse, Leben und Tod, diese Fülle ist uns gegeben!

Auch, wenn das weh tut.

 

Gott will nicht strafen, klein machen, verdammen, sondern erwählen und retten!

Für mich drückt das der Text eines Liedes aus:

 

Gott liebt diese Welt und wir sind sein Eigen.

Wohin er uns stellt, sollen wir es zeigen: Gott liebt diese Welt.

Gott liebt diese Welt. Er rief sie ins Leben.

Gott ist’s, der erhält, was er selbst gegeben. Gott gehört die Welt.

Gott liebt diese Welt. Ihre Dunkelheiten hat er selbst erhellt.

Im Zenit der Zeiten kam sein Sohn zur Welt.

Gott leibt diese Welt. Durch des Sohnes Sterben hat er uns bestellt zu des Reiches Erben. Gott erneut die Welt.

Gott liebt diese Welt. In den Todesbanden keine Macht ihn hält.

Christus ist erstanden: Leben für die Welt.

Gott liebt diese Welt. Er wird wiederkommen wann es ihm gefällt, nicht nur für die Frommen, nein, für alle Welt.