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Erfüllte Zeit25. 07. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
„Jesu
Lehre vom Gebet. Das Vater Unser“ (Lukas 11,1 – 13) Kommentar: Dr. Michael Landau
1)
„Herr, lehre uns beten“ – so die Bitte aus dem Kreis der Jünger,
wie wir sie zuvor aus dem Evangelium nach Lukas gehört haben.
Dieser Bitte geht der Hinweis auf das Gebet Jesu voraus. Für Jesus
selbst war das Gebet, die lebendige Verbindung mit dem Vater im
Geist, offensichtlich wichtig – das Gebet in der Stille und in der
Einsamkeit vor und bei Gott. Und Jesus hat die Seinen zu beten
gelehrt: Konkret und universal im Vaterunser, das die Evangelien uns
überliefern – bei Matthäus mit sieben, bei Lukas mit fünf
Bitten, in der kürzeren, vielleicht älteren Form. Wir
Heutigen stehen dem Gebet manchmal ein wenig skeptisch gegenüber.
„Viele meinen, wer betet, gebe seinen Verstand und Willen an der
Kirchentür oder an der Himmelstür ab. Anstatt aufrichtig und
aufrecht selbst zu denken und zu entscheiden, schiebe er Gott die
Verantwortung zu.“ Der deutsche Bischof Franz Kamphaus zitiert
dazu Kurt Tucholsky: „Kopf ab zum Gebet!“[1] Ich
bin überzeugt: Das Gegenteil stimmt. Wir brauchen als Christen und
wir brauchen als Menschen das Gebet, das Atemholen der Seele, das
Wagnis, den Blick empor zu heben und in die Weite zu schauen, auf
das Ziel und den Horizont. Nochmals mit Bischof Kamphaus: „Beten
macht frei, frei von der Angst um sich selbst, die die Phantasie
unserer Liebe verkümmern lässt“[2] Mir
kommt dazu ein Bild in den Sinn, das Bild eines Bootes in voller
Fahrt: Ein Boot in voller Fahrt braucht das Schwert unter Wasser, um
die Richtung zu halten und nicht zu kentern. Gott will, dass auch
wir in unserem Leben volle Fahrt machen. Aber gerade dann
und darum ist es wichtig, dass wir Mut auch zum Tiefgang haben, zum
Tiefgang nicht zuletzt im Gebet. Beten ersetzt nicht das eigene Tun.
Aber ebenso wenig ersetzt das Tun unser Beten. Der Mensch braucht
beides – Gebet und konkretes Tun, Liebe, die zur Tat wird, –
um „auf Spur“ zu bleiben und das heißt letztlich: um
wirklich und menschlich zu leben. 2)
„Herr, lehre uns beten“. Das
Gebet des Herrn, das „Vaterunser“, es ist als Urbild unseres
Beten zum wahrscheinlich vertrautesten Grundgebet aller christlichen
Kirchen geworden. Und schon in der Anrede ist Entscheidendes
mitausgedrückt: Wir sind Kinder eines Vaters. Wir gehören
zusammen. Wir tragen füreinander Verantwortung, stehen unter dem
gleichen Maß, der Maßeinheit Mensch. Das
aber ist durchaus konkret gemeint: Das tägliche Brot etwa ist
notwendig „unser“, nie nur meines. Im Ersten Johannesbrief lesen
wir dazu: „Wer seine Schwester, seinen Bruder nicht liebt, den er
sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht“.
Es gibt einen Echtheitstest für unseren Glauben, der besteht
im Teilen. Wer bei Gott eintaucht, der darf sich nicht wundern, wenn
er bei den Armen, den Armgemachten auftaucht. Lebendige Gemeinden
sind immer auch
diakonisch. Was unser Glaube wert ist, das zeigt sich heute und
hier. Und erinnert nicht gerade die Vaterunser-Bitte „Dein Reich
komme“ an die Vorläufigkeit und Vergänglichkeit jeder irdischen
Macht?! Zugleich
und vor allem aber nimmt das Vaterunser die ganze Wirklichkeit
unseres Lebens mit in den Blick: Unsere Beziehung zu Gott, unsere
Beziehung zur Schöpfung, unsere Beziehung untereinander, all das
ist in den Bitten mit angesprochen. Und das erinnert uns nicht
zuletzt daran: Wir dürfen unser ganzes Leben, unsere ganze
Wirklichkeit, unsere ganze Existenz bittend vor Gott halten. Er
kennt uns. Er versteht uns. Und er kann etwas mit uns anfangen, mit
unserem ganzen Leben, mit unseren starken und mit unseren schwachen
Seiten. Wir müssen Ihm nichts vorspielen. Wir dürfen vor Ihn
treten, wie wir sind. Gott
offenbart sich dabei von Anfang an als Gott des Erbarmens, der
Barmherzigkeit und Vergebung. Wobei wir freilich in einem gefragt
sind und bleiben: in unserer je eigenen Bereitschaft zu vergeben:
„Erlass uns unsere Sünden, denn auch wir erlassen jedem, was er
uns schuldig ist.“ Einander vergeben, verzeihen, einen neuen
Anfang wagen. Wie sehr könnte das nicht unserem eigenen Leben gut
tun?! Und vielleicht ist dafür heute genau der richtige Tag. 3)
Doch diese Bitte, dieses „Herr, lehre uns beten“ – das ist
stets auch Geschenk, hat mit der geduldigen Bereitschaft zu tun, mit
dem Suchen nicht nachzulassen. Wir müssen nicht viele Worte machen.
Auch das lehrt uns das Vaterunser. Im Alltag auf Gott schauen, Ihn
in allen Dingen finden oder auch immer wieder schweigend einfach das
eigene Leben vor Ihn halten, in der Stille, all das ist Gebet. Es
tut uns gut, das Gebet zu wagen; wir brauchen das Atemholen der
Seele. Und Lukas sagt uns, dass unser Bitten nicht vergebens sein
wird: „Wenn nun schon ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gebt,
was gut ist, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen
Geist denen geben, die ihn bitten.“ Der Versuch könnte sich
lohnen, der Versuch, bittend zu beten. Und vielleicht ist auch dafür
heute – oder im Grund genommen immer – der richtige, der
allerbeste Tag.
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