Erfüllte Zeit

05. 09. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

„Die Tauglichkeit zum Reich Gottes“

(Lukas 14, 25 - 33)

Kommentar: Dr. Anton Kalkbrenner

 

Mit dem heutigen Sonntagsevangelium beginnt nach einer Ruhepause wieder die Wanderaktivität Jesu. Aber ob er rastet oder wandert – er vergisst nicht auf das Lehren.

Der Evangelist Lukas sieht in Jesus einen Gottesmann, einen Weisen und Propheten, der Aufmerksamkeit erregt und viele Begleiter anzieht, die mitwandern. Aber mit Jesus spazieren gehen ist noch nicht Nachfolge! Er formuliert daher die Bedingungen, um die echte Nachfolge vom Mitläufertum zu trennen. Und die Forderungen sind schockierend und provozierend.

 

Da sind die zwei Sprüche über das Hassen der eigenen Familie und das Tragen des eigenen Kreuzes. Lukas lässt Jesus wörtlich sagen: hassen – nicht wie es abgeschwächt in der Einheitsübersetzung heißt: gering schätzen.

Der Prediger der Gottes- und Nächstenliebe formuliert sehr scharf, wenn es um die Abgrenzung zu gesellschaftlichen und familiären Beziehungen geht. Konsequente Nachfolge ist kein Spaziergang. Für Jesus führt der Weg nach Jerusalem – ans Kreuz. So bedeutet die Nachfolge Jesu: auch das Äußerste - einen schmachvollen Tod - zu erleiden.

 

Diesem Schock folgen wieder zwei Gleichnisse: über den Turmbau und die Kriegsvorbereitung. Beide Gleichnisse entstammen der Lebenserfahrung und leuchten ein. Es erstaunt aber, wie viel Zeit Jesus einräumt zum Hinsetzen und Überlegen. Kein übereilter Ruf in die Nachfolge!

Eine große Ernsthaftigkeit ist für die Vorbereitung angeraten, um vor unangenehmen Enttäuschungen gewarnt zu sein. Wer Jesus nachfolgen will, soll wissen, worauf er sich einlässt, denn Christ sein erfordert eine freie und bewusste Entscheidung.

 

Und nun folgt mit dem Schlussvers unseres Textes die Schlussfolgerung für das Jünger-Sein – frei übersetzt: Es wäre dumm und unvernünftig, wenn eine Jüngerin bzw. ein Jünger nicht auf den ganzen Besitz verzichtete. Reichtum und Besitz auf der einen und Jünger-Sein auf der anderen Seite schließen einander aus.

 

Wozu der Jesus des Lukasevangeliums in schockierender und provozierender Weise aufruft, ist der Verzicht. Das ist heute kein Modewort. Worauf und warum sollte, wer sich alles leisten kann, verzichten? Auf Negatives und Unangenehmes verzichtet man gern. Um eines höheren Gutes willen verzichten manche auch noch: z.B. wer schlank bleiben will, reduziert Kalorien, wer sich sportlich betätigt, lebt asketisch, wer gesund bleiben will, unterzieht sich kostspieligen Fastenkuren. Die Verweigerung alltäglicher Konsumgüter leistet sich, wer sich mehr leisten kann und dabei auf das Schöne, Gesunde und Gute nicht verzichten muss.

 

Was aber meint Jesus mit dem Verzicht auf Besitz, Familie und Reichtum? Gehört da nicht noch viel mehr dazu wie z.B. Macht, Waffen, Abstammung, Ansehen, Nationalität?

 

1. Wer in die Nachfolge Jesu tritt, darf und soll die Vergangenheit hinter sich lassen. Jede Entscheidung verlangt nach Verzicht und Trennung. Hassen ist bei Lukas kein Gefühl, sondern eine Handlung und meint etwas oder jemanden verlassen.

 

2. Wer Besitz und Reichtum anhäuft, soll wissen: auf sie ist kein Verlass, sie bieten keine wirkliche Stütze im Leben, ja ein Palast kann zur Belastung werden. Und das Totenhemd hat keine Taschen. Die Güter dieser Welt dienen zunächst einmal zum Über-Leben, dann erst zum Er-Leben.

 

3. Weil Gott der Herr ist, soll christliches Leben auf Macht und Ansehen verzichten. Die Christen haben in den ersten drei Jahrhunderten auf Machtausübung, Gewaltanwendung und Kriegsdienst verzichtet. Die Mission geschah durch stille Überzeugung und gelebte Nachahmung Jesu. An die Stelle der Macht trat die Ohnmacht. So haben sie in das römische Reich hineingewirkt und sein Gesicht wesentlich verändert. Erst als das Christentum Staatsreligion wurde, hat es eine imperiale Macht entfaltet und ist attraktiv geworden für die vielen Volksscharen.

 

Abschließend ein Blick in die Kirchengeschichte des Mittelalters:

Was ist aus dem Kreuztragen geworden? Aus dem Jeus-Wort „sein Kreuz auf sich nehmen“ wurde: am Kreuzzug teilnehmen. Von da weg ist nur mehr ein Schritt zum Kriegsdienst.

Wo stehen wir heute mit dem Wagnis der Nachfolge Jesu?

 

Dr. Anton Kalkbrenner, Kath. Bildungswerk der ED – Wien, Bibelreferent, Theologe und Erwachsenenbildner