Erfüllte Zeit

19. 09. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

„Das Gleichnis vom betrügerischen Verwalter – Vom Umgang mit dem Geld“  (Lukas 16, 1 - 13)

 

Weihbischof Franz Lackner

 

 

Das Evangelium des heutigen Sonntags stellt uns eine seltsame Geschichte vor Augen. Der Verwalter eines Vermögens wird beschuldigt, mit dessen Besitz leichtfertig umgegangen zu sein. Deshalb muss er seinem Herrn Rechenschaft ablegen und verliert schließlich den Posten. Der Verwalter, nun ohne Beschäftigung, denkt über seine Zukunft nach: Zu schwerer Arbeit taug’ ich nicht, zu betteln schäm’ ich mich. So macht er sich Freunde dadurch, dass er die Außenstände durch Umschreibung der Schuldsteuer verringert. Jesus lobt nun diesen Menschen, aber klingt das nicht nach Ungerechtigkeit? Sehen wir näher hin: Jesus will keineswegs dem Unrecht das Wort reden, sondern gleichnishaft auf den tieferen Sinn des menschlichen Lebens hinweisen. Dieser erschöpft sich nämlich nicht nur in dem, was wir mit unseren Maßstäben als richtig oder falsch erkennen. So kann es durchaus Grunderfahrungen des Menschen geben, die in den Augen des distanziert nüchternen Betrachters als falsch erscheinen mögen, aber dennoch zutiefst gut sind. So in der Logik der Liebe: Da verhält es sich doch vielmehr so, dass die Vernunft sagt: Es ist falsch, die Liebe aber: Es ist, was es ist. Dasselbe gilt für Situationen in äußerster Not, wenn Menschen ohne Ausweg dastehen, wenn auf ein Gesetz des Handelns nicht mehr zurückgegriffen werden kann, sondern allein die Person Maßgabe allen Tuns wird. In solchen Momenten bleibt allein die Aufrichtigkeit der Person Wegweiser und Maßstab. Und hier kann es passieren, dass die Logik des Herzens und die Logik der Welt auseinander trieften. Dostojewski hat es dichterisch ins Wort gefasst: Für einen Augenblick war die Lüge Wahrheit.

 

Das Leben der Christen in dieser Welt ist letztlich kein Leben unter normalen Umständen. Christlicher Existenzvollzug soll immer ein Leben in Ausgesetztheit sein, wie es in den Beispielen von Liebe und Not angedeutet wurde. Beide Male steht der Mensch in Einsamkeit der Personmitte vor Gott und vor den Menschen.

 

Trotzdem sind wir Menschen in dieser Welt und müssen uns auf der Ebene der Alltäglichkeit bewähren. Das heißt, die Welt mit ihren zeitbedingten Ansichten bestimmt unseren Lebensweg mit. Christen müssen in dieser Welt Kompromisse eingehen, insofern bleiben sie Wanderer zwischen dem, was Jesus im Evangelium heute das Gute des Mammon und das wahre Gut nennt. Zwar ist unsere Heimat der Himmel, und doch müssen wir mit beiden Beinen auf dieser Erden stehen: Ein Zwiespalt, der uns zwingt, Zugeständnisse zu machen. Wir müssen Schuldscheine umschreiben.

 

Dieses Evangelium will keine Anleitung geben, wie wir uns leichter durch das Leben schwindeln können, sondern zielt auf Letztbereiche der menschlichen Existenz ab. Zuerst ist das Evangelium ein Regulativ der Person, es will dort Richtung und Wahrheit benennen, wo das durch die Geschichte bewährte Regelwerk nicht hinreicht. In diesem personalen Letztbereich ereilt uns immer auch die bittere wie heilsame Einsicht, dass wir selbst es nicht vermögen: Zu schwerer Arbeit taug’ ich nicht, zu betteln schäm’ ich mich.

Gott ist demütig. Er selbst lädt uns gleichsam ein, unsere Schuldscheine umzuschreiben. Es ist dies ein besonderer Akt der Zuwendung der Liebe Gottes, sodass wir vor ihm, vor uns selber, aber auch vor den anderen Menschen unser Gesicht bewahren. Das meint auch im tiefsten Sinn Erlösung, nämlich nicht ein Akt der Herablassung Gottes, indem er in Souveränität den Menschen großzügig die Schuld nachlässt, sondern Einladung, im Erlösungswerk mitzuwirken. Diese Einladung gilt auch dann, wenn unserem Mitwirken der bittere Beigeschmack anhaftet, der dem Umschreiben von Schuldscheinen inne ist. Hier zeigt sich das Geheimnis der Erlösung, von der die Osterliturgie von Anfang an singend verkündet: „O Glückliche Schuld, o heilbringende Sünde Adams“.