Erfüllte Zeit

03. 10. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

„Vom Glauben und vom Dienst im Glauben“ (Lukas 17, 5 – 10)

von Dr. Gerhard Bodendorfer

 

An der Stelle des heutigen Evangeliums begegnet uns Jesus wie so oft mit starken und kompromisslosen Worten, die er durch ein Gleichnis untermauert. Um die Anfrage der Jünger um Stärkung im Glauben zu verstehen, muss man die vorherige Diskussion um Glaubensabfall und Verzeihung mitdenken. Jesus äußerte sich nämlich gerade ganz klar gegen jene Menschen, die bewirken, dass andere vom Glauben abfallen. Besser, so sagt er, wäre es, wenn einer mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde, als dass er jemand zu Fall bringt. Jesus tröstet aber auch, indem er Umkehr und Verzeihen besonders betont: Wenn dein Bruder sündigt, stelle ihn zur Rede, wenn er bereut, vergib ihm. Und das auch, wenn er siebenmal gesündigt hat und siebenmal bereut. Die Jünger Jesu erwarten daher nicht nur angesichts der Gefahr des Glaubensabfalls von Jesus, dass er sie bestärkt. Auch dieses fast grenzenlose Verzeihen überfordert sie. Glaube hat mit Haltung zu tun, die sich in der Praxis auswirkt. Er kann Bäume entwurzeln, wie es so schön heißt. Dass Jesus auf einen Maulbeerbaum verweist, mag Zufall sein, wurde später aber intensiv ausgelegt. Maulbeerbäume wurzeln stark und lassen sich tatsächlich schwer ausreißen. Albert der Große deutete den Baum als Sinnbild für Sattheit und Überheblichkeit der Welt, die es auszureißen ginge. Anlass dafür waren ihm sowohl die schmackhaften Früchte des Baums als auch der Umstand, dass er den Seidenraupen als einzige Nahrung dient. Mehrfach hat Jesus schließlich das Senfkorn für ein Gleichnis verwendet. Senfpflanzen wachsen aus einem kleinen und unscheinbaren Korn zwischen 0,8 bis 2,5 m hoch. Jesus sagt hier, dass es gar nicht viel bräuchte, um ein großes Ergebnis zu erzielen. Der Glaube macht stark, aber er soll gerade angesichts der Stärke nicht überheblich sein. Vielleicht bekommt von dieser Stelle auch unser Sprichwort, nicht überall seinen Senf dazugeben zu müssen, eine neue Bedeutung. Der Glaube soll sich nicht brüsten, sondern ganz einfach da sein. Dazu dient auch das folgende Gleichnis. Wie ein Knecht seinen Herrn bedient, ohne darüber viel Aufhebens zu machen und sich Dank zu erwarten, so soll das Handeln aus dem Glauben eine Selbstverständlichkeit sein. Gerade hierin liegt die besondere Sprengkraft dieses Evangeliumabschnitts. Wer will heute schon gern Sklave sein, unbedankt eine Pflicht erfüllen, nicht stolz seine Haltung nach außen präsentieren. Jesu Wort provoziert daher. Die Sklaverei, von der hier die Rede ist, meint natürlich die Beziehung des Menschen zu Gott, die ins Konkrete mündet. Denn Glaube wirkt sich im Tun aus, ist ein alltägliches Mühen. Der Text beinhaltet gleichzeitig einen Kontrast zwischen dem sklavisch bescheidenen Alltagshandeln und dem Wunder des aufblühenden Senfkorns. Die Auswirkungen des Glaubens sind nämlich sehr wohl sichtbar. Die Wirkung bleibt eben nicht aus. Der schon genannte Albert der Große verglich das Senfkorn mit der Demut, aber auch der Weisheit, dem ergriffenen Herz und der Liebe. Demut, Mitgefühl, Weisheit und Liebe sind schließlich die Ingredienzien, die den wahren Glauben ausmachen, der verzeiht und handelt, ohne auf Verdienste zu schauen. Demut, Mitgefühl, Weisheit und Liebe sollen die Jünger Jesu, also uns, prägen.