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Erfüllte Zeit07. 11. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
„Jesu Streit mit den Sadduzäern um
die Auferweckung der Toten“ (Lukas 20, 27 – 38) von
Pfarrer Josef Grünwidl Für
Gott gibt es keine Toten, nur Lebendige! – Das ist ein starkes und
zugleich ein provozierendes Wort, das Jesus am Ende seiner
Diskussion mit den Sadduzäern sagt. Es widerspricht zunächst
einmal radikal meiner Erfahrung. Wenn ich bei einem Begräbnis am
Grab stehe und der Sarg in die Erde gesenkt wird, dann ist der Tod
eine bedrohliche Realität. Und auch der Tote ist real und ein
realer Verlust für die Angehörigen. Täglich, ja stündlich wächst
die Zahl der Gräber und der Toten ins Unermessliche. Wie kann man
da sagen: Für Gott – das heißt ja: in Wirklichkeit, in Wahrheit
– gibt es gar keine Toten? Damals
wie heute gehen in dieser Frage die Meinungen auseinander. Der
Evangelist Lukas stellt die Frage nach Tod und Auferstehung bewusst
an den Schluss der Lehr- und Streitgespräche, die Jesus im Tempel
von Jerusalem führt. Verschiedene Gruppen haben Jesus mit
unterschiedlichen Fragen konfrontiert: über den Sabbat, über die
Steuern und über seine Sendung und seine Vollmacht hat Jesus
bereitwillig Auskunft gegeben. Als Letzte in dieser Fragerunde
treten die Sadduzäer auf, die eine Auferstehung der Toten leugnen.
Mit ihrer konstruierten Geschichte von der einen Frau mit sieben Männern
wollen sie Jesus beweisen: Deine Botschaft von der Auferstehung führt
zu ganz unsinnigen Zuständen. Sie ist absurd und darum lehnen wir
sie ab. Jesus
nimmt die Sadduzäer mit ihrer Frage ernst. Er lässt sich jedoch
nicht auf Details ein, sondern gibt ihnen klar zu verstehen, dass
sie von ganz falschen Voraussetzungen ausgehen. Die Sadduzäer
meinen, das Leben aus der Auferstehung sei eine Art Fortsetzung des
irdischen Lebens unter anderen Vorzeichen: Die Menschen werden
wieder heiraten, Kinder zeugen und Familien gründen und so faktisch
den bisherigen Weg auf einer anderen, höheren Ebene weitergehen. So
gesehen gibt es sie heute auch noch, die Sadduzäer, und es sind
nicht wenige. Denn viele Menschen meinen ja, nach dem Tod werde eine
„Neuauflage“ des Lebens kommen; es werde etwa eine weitere
Chance geben, um den noch nicht ausgelebten Fundus an Lebensmöglichkeiten
zu realisieren; oder eine Fortsetzung des irdischen Lebens in der
„Luxusvariante“. Solche diffuse Vorstellungen und Meinungen vom
Leben nach dem Tod gibt es auch unter Christen. Nicht wenige
verwechseln oder vermischen Lehren von der Wiedergeburt oder der
Seelenwanderung mit der biblischen Botschaft von der Auferstehung
der Toten. Unter
zwei Blickwinkeln schaue ich auf das Evangelium: Zuerst
aus der Perspektive der Sadduzäer: Wären sie sich ihrer Sache so
sicher, hätten sie Jesus über die Auferstehung gar nicht befragt.
Für mich ist schon die Tatsache, dass sie in den Tempel kommen, um
die Meinung Jesu zu hören, ein Indiz dafür, dass sie auf der Suche
sind. Und ich frage mich: Steckt hinter ihrer spitzfindigen
Geschichte von der einen Frau mit sieben Männern letztlich nicht
doch die Frage aller Fragen: Was wird im Tod mit mir geschehen? Was
darf ich hoffen? Von
den Sadduzäern lerne ich, dass es erlaubt ist, Fragen zu stellen,
und dass es im Glauben keine dummen Fragen gibt. Manchmal hat mir
unsere Kirche zu viele fertige Antworten. Ich finde es erschreckend,
wie genau und exakt die Kirche lange Zeit über die so genannten
„letzten Dinge“, also über Tod, Gericht, Fegefeuer, Himmel und
Hölle Auskunft gegeben hat. Wie vielen Menschen wurde dadurch ihr
Gottesbild verdunkelt?
An
den Sadduzäern gefällt mir, dass sie auftreten als jene, die die
Auferstehung der Toten leugnen, und im gleichen Atemzug Jesus nach
der Auferstehung der Toten befragen. Zweifel und Glaube liegen oft
nahe beisammen. Und unter den vielen Wegen, die zu Gott führen,
sind auch die Fragen und das kritische Denken.
Und
dann der Blick auf Jesus: Ich finde es großartig, wie er mit den
Sadduzäern diskutiert und sich auf ihr Niveau begibt, und dass ihm
diese Ehegeschichte, die sie da umständlich erzählen, nicht zu
dumm ist. Jesus korrigiert falsche Vorstellungen behutsam, er setzt
dort an, wo die Sadduzäer meinen, sich auszukennen: bei den Büchern
des Mose. Er weitet ihren Horizont und macht ihnen klar: Das Thema
Auferstehung und ewiges Leben übersteigt alle menschlichen
Vorstellungen. Wer hier immer nur vom Menschen redet, greift zu
kurz. Jesus redet vom Himmel und von den Engeln, denen wir nach der
Auferstehung gleich sein werden, und vom Leben Gottes, in das wir
dann ganz hinein genommen sind. In Abraham, Isaak und Jakob hat Gott
seinen Bund mit uns sterblichen Menschen geschlossen. Darum
beteiligt er uns an seinem göttlichen, ewigen Leben. Darum sind wir
Menschen für Gott nie gestorben, sondern immer lebendig. Ich weiß nicht, ob die Sadduzäer nach der Begegnung mit Jesus ihre Meinung in dieser Frage geändert haben, aber eines nehme ich aus dieser Bibelstelle als Gewissheit mit: Gott
nimmt mich ernst mit meinen Fragen und Ängsten, mit meinen
Vorstellungen und mit meinem Glauben. Und
im Jesuswort: „Für Gott gibt es keine Toten, denn für ihn sind
alle lebendig“, das zunächst so provokant geklungen hat, in
diesem Wort schwingt für mich auch Trost und eine große Zusage
mit: Wenn
ich für Gott nie tot sein werde, dann heißt das jetzt schon für
mich: Denk
ich zu klein von dir selber und von deiner Schwester und deinem
Bruder. Und vergiss nie: Du bist geschaffen für die Ewigkeit.
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