Erfüllte Zeit

28. 11. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

„Mahnungen im Hinblick auf das Ende“ (Matthäus 24, 29 – 44)

von Regens Andreas Pumberger

 

Das heutige Sonntagsevangelium konfrontiert uns mit einer schwierigen Perikope. Die Bilder kosmischer Katastrophen am Beginn sind angelehnt an alttestamentliche Beschreibungen über das Kommen Jahwes in Rauch, Blitz, Donner und Hagel.

Aber auch die folgenden aneinander gereihten Szenen, etwa von mitgenommenen oder zurück gelassenen Frauen und Männern, bleiben unverständlich und unschlüssig.

Erst am Ende löst sich das Unverständnis auf, wenn wie eine immer wiederkehrende Melodie des Evangeliums der Schlussvers zu hören ist: Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.

 

Mir kommt da ein Erlebnis des vergangenen Herbsts in den Sinn. Die Krankheit eines Menschen, die mir die Unverfügbarkeit und die Brüchigkeit unseres Lebens wieder deutlich vor Augen geführt hat. Krankheit und quälende Sorge brechen da plötzlich und ohne Vorwarnung in das Leben ein. Die erträumten und lang geplanten Unternehmungen, die Perspektive eines ruhigeren Lebens werden mit einem Schlag hinfällig – und es ist als ob einem Himmel und Erde einstürzen.

Mit der nun neuen Situation bricht aber auch Liebgewordenes weg. Die Arbeit, die dem Leben Sinn und Halt gegeben hat, die Menschen dort, die mir über all die Jahre ein festes soziales Netz geworden sind, es bricht ab und fällt weg, weil eine böse Krankheit verhindert, so weiter zu machen wie bisher.

 

Doch damit nicht genug: an dieser Grenze des Lebens steigen Fragen auf, die noch in eine andere Dimension hineinführen: Habe ich so gelebt, dass ich gut Abschied nehmen kann? Habe ich getan, was zu tun war? Hab ich die Zeit genützt, um das Leben jetzt zur Entfaltung zu bringen oder habe ich zu leben aufgeschoben auf später?

 

Wie immer wir dann die Fragen an diesem Punkt des Lebens beantworten können, aber daran wird deutlich: es könnte nun auch zu spät sein, das zu tun, was ich tun wollte oder tun hätte müssen.

 

Es sind noch vier Wochen bis Weihnachten. Der Advent will uns bereiten für das Kommen Gottes. Darum steht dieses Evangelium wohl wie ein Mahnruf am Beginn dieser Vorbereitungszeit: Seid wachsam und haltet euch bereit!

Und so wie Gott in einem kleinen Kind zur Welt kommt und sich damit alles verändert, so genügen Kleinigkeiten, um unserem Leben einen merkbar anderen Akzent zu geben, um auf die vorhin gestellten Fragen positiv antworten zu können: Ja, ich habe getan, was zu tun war! Ja, ich habe meine Möglichkeiten genützt, das Leben zu entfalten. Es genügt in freundlicher Gruß, ein Dank für Selbstverständliches, ein liebeswürdiger Blick, ein klein wenig Positivität und Anerkennung, manchmal die Überwindung einen Handgriff doch zu machen.

Wenn es gelingt, in dieser aufmerksamen Haltung durch den Advent zu gehen, dann ist unser Herz bereit für die Ankunft des Menschensohnes.

 

Rechnen wir mit ihm – an jedem Tag, in jeder Stunde, in jeder Begebenheit.

Die Begebenheit, sagt Gott, das bin Ich

Ich, der euch mal sachte berührt,

ein andermal rüttelt mit starker Hand.

Ich bin es jedes Mal

Jedes Jahr jede Stunde, jede Begebenheit

Ich bin es

Ich bin es, der kommt,

ich bin es, der euch liebt

ich bin es… fürchtet euch nicht.

(Charles Péguy)