Erfüllte Zeit

05. 12. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

„Johannes der Täufer“ (Matthäus 3, 1 – 12)

von Regens Andreas Pumberger

 

Heute begegnet uns mit Johannes dem Täufer, eine markante biblische Persönlichkeit. In allen Evangelien ist er dem öffentlichen Auftreten Jesu vorangestellt. Er kündet die Gottesherrschaft an und ruft zur Umkehr auf, will dem Menschensohn den Weg bereiten. Aber dieser Rufer in der Wüste ist unangenehm.

Letztendlich kosten ihm seine Ermahnungen und seine Kritik an König Herodes das Leben.

Mit dem nahenden Weihnachtsfest feiern wir wieder die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus. Müsste nicht vorher – so wie es die Evangelien eben auch tun – die Haltung des Johannes spürbar sein, damit in der Aufmerksamkeit der Leute der Weg für Gottes Kommen bereitet ist? Müssten wir Christen nicht viel mehr als Rufer gegen Ungerechtigkeit und Unfrieden auftreten, selber Zeugnis eines anderen Lebens geben, damit an unseren Früchten sichtbar wird, dass das Reich Gottes unter uns schon angebrochen ist?

 

Johannes ist auch seinen gläubigen Zeitgenossen ein Stachel im Fleisch. Er lässt sie nicht in der selbstgefälligen Überzeugung, dass sie mit ihrem religiösen Leben die Rettung schon in der Tasche haben. Nein, das allein genügt ihm nicht. Ihr Handeln muss Früchte hervorbringen, die zeigen, dass es Ihnen ernst ist mit der Botschaft des Evangeliums, mit der Umkehr.

 

Fromme Sprüche und religiöse Floskeln werden lächerlich und stehen dem Kommen Jesu im Wege, wenn sie nur dazu dienen eigene Machtansprüche abzusichern, die Welt in gut und böse einzuteilen oder zur Legitimierung einer intoleranten Gesetzgebung herangezogen werden. Nicht jeder, der das Wort Gottes im Mund führt, ist ein Johannes, ein Rufer in der Wüste. Wer im Namen Gottes zur Umkehr aufruft, wer mit dem Reich Gottes Gerechtigkeit und Frieden für alle meint, der kann nicht der erste in der Welt sein, er muss sich zum Diener aller machen.

 

Umkehr aber haben wir alle nötig! Solange es passiert, dass tausende Kinder am Tag vor Hunger elend sterben, so lange Kriege geführt werden, die Millionen unschuldiger Menschen in die materielle und psychische Katastrophe führen, solange einfachste medizinische Versorgung ein Anspruch nur der reicheren Länder ist, solange dürften wir nicht ruhig schlafen.

 

Charles de Foucauld schreibt dazu:

„Mein Gott, ich weiß nicht, ob das für bestimmte Leute möglich ist, dich arm zu sehen und dennoch gerne reich zu sein, sich so viel größer zu sehen als dich, den Meister. Es kann ja sein, dass sie dich lieben, mein Gott. Dennoch scheint mir, es müsse da was fehlen in ihrer Liebe…

Reich sein, es gut haben, so ruhig die Güter der Welt genießen, wo du arm und bedürftig gewesen bist – ich für mich, ich bringe das nicht fertig, mein Gott, so kann ich dich nicht lieben.“

 

Das heutige Evangelium ist nicht zu glätten. Johannes der Täufer mit seinem rauen Bart und seiner borstigen Kleidung aus Tierfell ist nichts zum Kuscheln. Seine Botschaft will aufrütteln und uns ins Gewissen reden, will die Not dieser Welt und die Not unseres eigenen Lebens ganz klar ansprechen und lässt uns nicht gehen mit der beruhigenden Botschaft, dass bereits alles gut ist. Die einfache und ärmliche Krippe in Bethlehem war der Ort der Menschwerdung Gottes damals. Die Not und Armseligkeit unserer Welt ist der Ort der Menschwerdung Gottes heute.