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Erfüllte Zeit12. 12. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
„Jesus und der Täufer“ (Matthäus
11, 2 – 11) von
Regens Nikolaus Krasa Also
ich würd‘ ja schon an euer Christentum glauben, nur wenn dieser
Jesus der Messias ist, warum geht es dann auf der Welt so zu? Frage
eines jüdischen Bekannten. Warum geht es auf dieser Welt so zu?
Wenn Jesus wirklich der Messias ist, müsste man das doch merken. Eine
spannende Frage. Und genau die Frage, die die Hauptperson unseres
heutigen Evangeliums quält. Wenn Jesus wirklich der Messias ist,
dann müsste man doch etwas merken. Johannes ist hier nicht mehr der
feurige Prediger, wie wir ihn vergangenen Sonntag kennen gelernt
haben. Er ist zum Zweifler geworden. Das verrät die Frage die er an
Jesus richten lässt: bist du der, der kommen soll, oder müssen wir
auf einen anderen warten? Der, der kommen soll – so hat Johannes
Jesus schon im Evangelium des vergangenen Sonntags bezeichnet: nach
mir kommt einer, der ist stärker als ich. Das ist die Hoffnung, aus
der Johannes lebt und verkündet: der Messias kommt, wirklich, er
steht schon vor der Tür. Und er ist stark, überwältigend. Bist du
Jesus also der Messias, oder bist du es nicht. Noch einmal die Frage
des Johannes, der tiefe Zweifel des Johannes Das
ist schon erstaunlich. Wie kann aus dem feurigen Verkünder des
Kommens des Messias so schnell ein großer Zweifler werden. Wie wird
aus dem, der in jeder Faser seiner Existenz auf eben dieses Kommen
hin lebt jetzt, nachdem der Messias gekommen ist, einer der genau an
diesem Messias verzweifelt? Wir sind übrigens nicht die ersten, die
uns diese Frage stellen. Schon jene, die in den ersten christlichen
Jahrhunderten das Zweifeln des Johannes zu deuten suchten, haben
damit gerungen. Sie haben dabei die zum Teil abenteuerlichsten Erklärungsversuche
unternommen, wie etwa, Johannes zweifle nur, damit er Jesus jenes
Bekenntnis herauslocke, dass Blinde gehen, Lahme sehen, und dies nur
für uns. Eine Art Showfrage also ... Ich
glaube, dass hinter dem Zweifel des Johannes mehr steht als bloß
Show. Ich glaube, dass hinter dem Zweifel des Johannes eine echte
Krise seiner Existenz steht. Und das in zwei Punkten. Der
erste ist ein biographischer. Johannes ist nach der Schilderung des
Matthäus kein freier Mann mehr als er seine Frage, seinen Zweifel
formuliert. Er sitzt im Gefängnis. Wegen seiner prophetischen Verkündigung
hat ihn sein Landesherr einsperren lassen. Er hat das Reich Gottes,
sein Kommen verkündet. Als unmittelbar, als vor der Tür stehend.
Und jetzt steht nicht der Messias vor der Tür sondern ein
Wachesoldat vor seinem Kerkerloch. Ziemlich desillusionierend
vermutlich für einen Propheten, der sich so knapp vor dem Ziel
aller prophetischen Verkündigung sieht. Wenig später wird Matthäus
erzählen, dass Johannes seinen Kerker nicht mehr lebendig verlassen
hat. Der
zweite Punkt ist ein inhaltlicher. Und er ist im ersten Punkt
bereits angeklungen. Wie klar und deutlich war doch die Predigt des
Johannes: der Messias steht vor der Tür. Und damit wird alles
anders. Und nicht irgendwann sondern jetzt, gleich. Der Kommende hält
schon die Schaufel in der Hand, das Gericht Gottes hat bereits
begonnen. So das Ende des Evangeliums vom vergangenen Sonntag. Und
nun ist dieser Jesus da und was tut er? Nichts von Gericht ist da zu
hören. Er preist die Armen selig, er heilt, er ruft Jünger und
bereitet sie darauf vor, dass sie mit seiner Botschaft nicht immer
Erfolg haben werden. An genau diese Tätigkeiten erinnert Jesus auch
Johannes in jenem Schriftzitat, das er ihm als Antwort auf seine
Frage ausrichten lässt: Blinde sehen, Lahme gehen, den Armen wird
die Frohbotschaft verkündet. Er ist anders als ihn sich Johannes
erwartet hat. Verlassen
wir damit die Person des Johannes. Die Botschaft seines Zweifels ist
klar: es ist nicht so einfach, Jesus von Nazareth als das zu nehmen,
was er ist, was er verkündet. Das heutige Evangelium steht bei
Matthäus an einer Schnittstelle: nach einer Einleitung hat er vom
ersten Wirken Jesu erzählt, der Bergpredigt, den Wundern. Noch ist
alles glatt gelaufen, aber mehr und mehr Menschen beginnen sich mit
Jesus schwer zu tun. Die Jünger muss er darauf vorbereiten, dass
sie Widerstand erleben werden, er merkt, im Anschluss an das heutige
Evangelium, dass die Städte, in denen er die meisten Wunder getan
hat sich nicht bekehren. Johannes wird im Gefängnis sterben. Die
Person des Jesus von Nazareth bleibt die große Herausforderung.
Sein so einfacher Umgang mit den Menschen. Sein so alltägliches
Auftreten. Dass oft scheinbar fruchtlos bleibt, was er tut. Also
ich würd‘ ja schon an euer Christentum glauben, nur wenn dieser
Jesus der Messias ist, warum geht es dann auf der Welt so zu? „Weißt
du denn, wie es auf der Welt zugehen würde wenn Jesus der Messias
nicht gekommen wäre?“ Mit dieser Gegenfrage habe ich damals
geantwortet. Und mein jüdischer Bekannter hat damals gelacht: „Du
redest schon wie einer unserer Rabbiner.“
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