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Erfüllte Zeit06. 02. 2005, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
„Salz
der Erde, Licht der Welt – die unglaubliche Zumutung“ (Mt
5, 13 - 16) von
Univ. Prof. Dr. Wolfgang Langer
Und
gerade denen wird gesagt: „Ihr seid das Salz der Erde“ und:
„Ihr seid das Licht der Welt“. Salz und Licht: was soll das heißen?
Es sind gewiss Bilder, die für etwas stehen, auf etwas anderes
verweisen. Aber eben das kann man kaum anders als in diesen Bildern
sagen. Wollte man versuchen, es in eindeutige Begriffe zu fassen, so
ginge das eigentlich Gemeinte, die Fülle der möglichen Bedeutungen
verloren. (Koch-)Salz
hat zwei hauptsächlich genutzte Wirkungen:
Es würzt und es konserviert. Völlig salzlose Speisen sind
fad (sogar Süßspeisen brauchen eine Prise Salz!). Und gesurtes
Fleisch hält sich, verdirbt nicht. So geben Christen, die sich bemühen,
nach den Weisungen Jesu (in der Bergpredigt) zu leben, einer
Gesellschaft den „guten Geschmack“. Menschen, die tätig Anteil
nehmen an der Not anderer, die nach Gerechtigkeit streben, die
friedlich, gewaltlos und versöhnlich handeln, machen das Leben für
alle lebenswert. Sie werden auch zumindest den einen oder anderen
Nachahmer finden und vielleicht sogar, früher oder später, mehr
oder weniger, das Bewusstsein von Menschen verändern. So wirken sie
gegen jenen Fäulnisprozess, der unsere Gesellschaft durch Egoismus,
Profitgier, rücksichtslosen Wettbewerb, menschenverachtende
Leistungsforderungen u.a.m. zu verderben droht. Aber was, wenn das
Salz schal wird? Wenn man solche Christen am hellichten Tag mit der
Laterne suchen muss? Licht
ist in der Sprache der Religion ein weltweit verbreitetes Bild für
das Göttliche, das Gottessymbol schlechthin. Das christliche
Bekenntnis nennt Jesus, den Christus, „Licht
vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott“. Wenn dieser Jesus
seinen Jüngern sagt: „Ihr seid das Licht der Welt“, dann ist
das nicht ein schlichter Satz, sondern eine unglaubliche Zumutung.
Es bedeutet nicht weniger, als dass es von ihnen abhängt, ob Gott
in dieser Welt ankommt. Ob Menschen wahrnehmen und erfahren können,
wer der Gott Jesu für sie ist: der Ewige und Unendliche, der ein
liebender Vater ist, bei dem sie sich geborgen wissen dürfen. Die
Gemeinde der Glaubenden soll wie „eine Stadt auf dem Berg“ sein,
in ihrem geschwisterlichen Miteinander so anziehend, dass die
Menschen von überall her zu ihr strömen (vgl. Jes 2, 2). Ist das
das Bild von Kirche, das unsere Zeitgenossen im Kopf haben? Wohl
kaum, sonst liefen sie nicht scharenweise weg. Wen kann man noch auf
den Leuchter im Hause stellen? Die bürokratischen Verwalter des
Glaubens (in Rom)? Die pharisäerhaften, engherzigen Moralprediger?
Die gestrengen Richter über das Schicksal gescheiterter Ehepaare? Mit
der Flamme des göttlichen Geistes Jesu leuchten eher andere.
Einfache, schlichte Christenmenschen in der Nachbarschaft, die ohne
viel Aufhebens (und deshalb von der medialen Öffentlichkeit meist
übersehen) die Nächstenliebe leben. Um ihretwillen preisen
Menschen den „Vater im Himmel“ – oft ohne es zu wissen, wenn
sie seine Söhne und Töchter loben, die barmherzig sind wie er. |