Erfüllte Zeit

20. 02. 2005, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

„Die Verklärung Jesu“

(Mt 17, 1 – 9)

von Pfarrer Roland Schwarz

 

Jener Gemeinde, für die Matthäus sein Evangelium schrieb, waren jüdische Vorstellungen und Bilder sehr vertraut. Deshalb wussten sie beim Hören der Erzählung von der Verwandlung Jesu, dass viele Elemente aus jenen jüdischen Texten stammen, die von unmittelbaren Begegnungen von Menschen mit Gott sprechen: die Wolke etwa war in solchen Texten ein Symbol für die Gegenwart des unsichtbaren Gottes; ebenso die Himmelsstimme; Berge waren oft die bevorzugten Orte göttlicher Offenbarung, denken wir nur an den Berg Sinai; die Menschen reagierten auf die Nähe Gottes stereotyp mit Angst und wurden daraufhin von einem Gottesboten aufgefordert, die Furcht abzulegen. Ein leuchtendes Gesicht und weiße Kleider waren typisch für das Aussehen der Gerechten in einer von Gott total erneuerten Welt.

Mit der Erzählung von der Verwandlung Jesu vor den Augen seines engsten Freundeskreises will Matthäus einen Blick hinter die Kulissen des menschlichen Alltags werfen. Er möchte zeigen, dass die schlimmen Dinge, die mit Jesus in seinem Evangelium bald passieren werden, dass diese nicht das letzte Wort - weder über Jesus noch über uns - haben. So wie das Leben Jesu und das seiner Jünger von Anfeindungen und dem gewaltsamen Tod bedroht war, so stehen wir auch heute vor unlösbaren Problemen und unterschiedlichen Bedrohungen. In solchen Situationen können uns nur starke Erfahrungen göttlicher Nähe tragen, wie wir sie etwa an einem strahlenden Sonnentag auf einem Berggipfel erleben können.

Dennoch: der Blick in die göttliche Herrlichkeit Jesu überfordert die drei Fischer vom See Gennesaret. Petrus reagiert mit seinem Vorschlag eines Hüttenbauens ausgesprochen tollpatschig, so wie dies oft einfache Menschen tun, wenn sie einem berühmten oder extrem talentierten Menschen begegnen. Sie finden bei Stars und Promis keinen passenden Gesprächseinstieg und sagen dann unbeholfen irgendetwas daher, wovon sie selbst gleich spüren, dass das jetzt eher peinlich war.

Mich beeindruckt in unserem Bibeltext die Reaktion Jesu: Er genießt nicht den Respekt, die Ehrfurcht, ja sogar die Angst der Jünger vor dem Erscheinen Gottes und damit auch vor seiner unerwarteten Fremdheit; er ist nicht der Star, der die bewundernde Distanz seiner Fans auskostet. Er geht zu ihnen hin, berührt die ängstlich am Boden Liegenden und richtet sie durch seine Worte auf: „Steht auf, habt keine Angst!“ Die schlichte unspektakuläre Zuwendung Jesu ist die Brücke zwischen Gott und den Menschen. Ich denke, nur der ist ein wirklich großartiger Mensch, der andere seine Überlegenheit nicht spüren lässt.

Jesu Freunde erhielten einen kurzen Einblick in die ganze Herrlichkeit Jesu, in die er nach seiner Auferstehung wieder zurückkehren sollte. Gott lässt sie in das tiefste Geheimnis ihres geliebten Lehrmeisters blicken. Jesus scheint selbst das Gefühl zu haben, dass etwas sehr Intimes seines Wesens preisgegeben wurde. Deshalb trägt er den Jüngern auf, einstweilen mit niemandem darüber zu sprechen. Es gehört zu den wichtigsten Elementen einer Freundschaft, dass es in der Beziehung einen Bereich gibt, der nicht für alle zugänglich ist. Dieses Wissen um geheimste Beweggründe eines Menschen ist es, das Freunde auch in schwierigsten Situationen zusammenhalten lässt.