Erfüllte Zeit

07. 08. 2005, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Der Gang Jesu auf dem Wasser“ (Matthäus 14, 22 – 33)

von Veronica Schwed

 

 

Das Evangelium dieses Sonntags und das des kommenden Sonntags haben ein gemeinsames Thema: Beide erzählen vom Vertrauen in Jesus, vom Glauben an den Messias.

In beiden Texten steht eine Begegnung im Mittelpunkt, bei der Jesus eine Enttäuschung erlebt im Sinn des Endes einer Täuschung:

Heute durch Petrus im negativen, am kommenden Sonntag durch eine namentlich nicht bekannte kanaanäische Frau im positiven Sinn.

Jesus hätte dem Petrus eigentlich zugetraut, wirklich zu glauben, doch der bekommt es mit der Angst zu tun. Die Frau hingegen, die von Jesus erst grob abgewiesen wird, hat einen so tiefen Glauben, dass Jesus – entgegen seiner ursprünglichen Absicht - davon beeindruckt ihre Tochter heilt.

Der heutige Text aus dem 14. Kapitel des Matthäus-Evangeliums erzählt mir sowohl etwas über Petrus als auch über die Kirche, als auch über mich selbst.

Im Text heißt es, sobald sich Jesus von seinen Jüngern getrennt hat und deren Boot ohne ihn unterwegs ist, wird es von den Wellen hin- und her geworfen, und sie haben Gegenwind. Matthäus spielt hier wohl vor allem auf die schwierige Zeit der urkirchlichen Gemeinden an, auf Unsicherheiten in der Glaubensfindung, auf Streit um die innere Ordnung, auf Misstrauen und Verfolgung von außen. Dieser erste Glaubensweg war mit Sicherheit ein Weg, auf dem den Christinnen und Christen der Gegenwind hart ins Gesicht geblasen hat.

Auch heute ist dieser Gegenwind deutlich spürbar, wenn auch vielleicht in anderer Weise:

Als Christin bin ich ihm ausgesetzt, wenn ich klar gegen Abtreibung und gegen Euthanasie eintrete, wenn ich mich für einen arbeitsfreien Sonntag einsetze und es für wichtig halte, den Gottesdienst mitzufeiern, wenn ich im Alltag darauf achte, dass ich durch mein Konsumverhalten nicht andere ausbeute, sondern fair gehandelte Produkte kaufe und wenn ich meinen Kindern bewusst christliche Werte mitgebe.

Aber auch innerkirchlich bläst dieser Gegenwind immer wieder heftig! Die ewigen Grabenkämpfe zwischen den so genannten Konservativen und so genannten Liberalen fallen mir hier ebenso unangenehm auf, wie die römische Geringschätzung der Befreiungstheologie und ungerechtfertigte Machtspiele.

Dem starken Gegenwind stellt Matthäus den schwachen Glauben des Petrus gegenüber: Petrus, der Fels wird wieder einmal zum „Wackelstein“. Auch darin finde ich mich selbst und auch meine Kirche wieder: Wie oft fehlt es an mutigem Auftreten, an klarem Einsatz, an beherztem Engagement!

Aber nicht nur der Gegenwind ist beunruhigend. Noch viel beängstigender ist eine unerwartete persönliche Begegnung mit Jesus Christus. Es scheint mindestens so unrealistisch, dass sich der Herr auf den Weg zu mir macht, wie dass er auf dem Wasser geht. Es kann nicht sein, das bilde ich mir sicher nur ein oder es ist ein Gespenst. – Petrus will Beweise.

Jesus sagt „Komm“. Er traut ihm zu, dass sein Glaube ausreicht, die Distanz zu ihm zu überwinden. (Oder er wollte ihm einen Spiegel vorhalten.)

Petrus steigt aus, bekommt Angst, geht unter.

Ich versteh ihn so gut! Begeisterungsfähig, sich selbst überschätzend, wieder am Boden der Tatsachen.

Und dann der Hilfeschrei und das tröstliche Wissen, dass Jesus nicht zögert. Sofort streckt er die Hand aus. Doch die enttäuschte, vorwurfsvolle Frage bleibt: „Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“

Es stellt sich mir bei diesem Text die Frage: Was traue ich Jesus Christus zu? Und was traut die Kirche, die Gemeinschaft der Glaubenden, Jesus Christus zu?

Wo steigen wir aus dem Boot der Sicherheit aus? Wo verlassen wir den festen Boden, alleine den Herrn im Blick? Wo vergessen wir die Fragen nach Machbarkeit, nach Vernunft, nach Absehbarkeit und Norm und folgen diesem „Komm!“?

Die Jünger im Boot sind noch beeindruckt und berührt von dem, was sie eben beobachtet haben. Obwohl Petrus bis jetzt die ganze Aufmerksamkeit des Herrn auf sich gezogen hat, sind sie es, die nun gläubig bekennen „Wahrhaftig, du bist Gottes Sohn.“