Erfüllte Zeit19. 06. 2003, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr
Univ. Prof. Michaela Kronthaler Fronleichnam ist ein österliches Fest, es ist das Fest des Geheimnisses der Eucharistie. Fronleichnam erinnert uns an das letzte Abendmahl, an den Gründonnerstag - wie auch die Schriftstelle, die wir soeben gehört haben. Das
Fronleichnamsfest ist zu einer Zeit entstanden, in der es keine
Spaltung in der abendländischen Christenheit gab. Es ist keine
Demonstration gegen die Überzeugung anderer Christinnen und
Christen. Würde man diesen Tag so betrachten, würde man den tiefen
Sinn des Sakramentes der heiligen Eucharistie verkennen, Band der
Liebe und Einheit zu sein. Fronleichnam
ist das Fest der Gegenwart Gottes unter uns Menschen. Jesus feiert
mit den Jüngern das Passahmahl, er bricht das Brot, er reicht den
Becher des Bundes. Er lebt mit ihnen Gemeinschaft, er teilt und gibt
sein Leben. Brot
und Wein sind schlichte Zeichen: Brot für den Alltag, Wein für die
Fülle, die Freude. Jesus möchte bei uns sein in schweren Zeiten
des Alltags wie auch in den festlichen Stunden des Lebens. Der Gott
Jesu Christi ist ein lebensbegleitender Gott, einer, der sich dem
Menschen zuwendet, ein mit den Menschen mit-lebender und
mit-leidender Gott. Die Fronleichnamsprozessionen, die heute an
vielen Orten und Gegenden abgehalten werden, sind auch ein Bild für
die Gegenwart Gottes unter uns Menschen. Im heiligen Brot wahrhaft,
wirklich und wesenhaft gegenwärtig, geht in den Prozessionen
Christus mit uns, unter uns, vor uns und hinter uns. Immanuel –
Gott mit uns - ist einer der schönsten Namen Gottes. Er sagt uns:
Mensch, ich bin bei dir und mit dir in deinem Leben mit all den
lichten und dunklen Seiten, den Ebenheiten und Unebenheiten deines
Weges. Ich stärke dir den Rücken, wenn du dich schwach fühlst,
ich tröste dich, wenn du weinst, ich helfe dir auf, wenn du am
Boden bist. Ich bin das Lebensbrot, das dich kräftigt und dir Halt
gibt. Gott
gibt alles. Er gibt sich in Jesus selbst. Er hält nichts zurück.
Die Menschwerdung und die Eucharistie sind „die Ausdrucksformen
der unermesslichen, sich selbst gebenden Liebe Gottes“ (H. Nouwen). Das
Wort, das am besten dieses Geheimnis zum Ausdruck bringt, ist das
Wort „Kommunion“. Diese brennende Sehnsucht Gottes danach, mit
den Menschen in innigste Beziehung zu treten, ist Kern
eucharistischen Feierns und Lebens. Die Mystikerin Mechthild von
Magdeburg fasst das in die Worte „Du brennender Gott in deiner
Sehnsucht“ – deiner Sehnsucht nach dem Menschen. Kommunion
stiftet Gemeinschaft. Nach Kommunion, Gemeinschaft, sehnt sich im
Tiefsten seines Herzens jeder Mensch. Kommunion mit Jesus bedeutet
so zu werden wie er. Wenn Christus sich uns „einverleibt“, dann
muss Eucharistie unserem Leben spürbar Gestalt geben. Die österreichische Dichterin Christine Busta drückt dies in ihrem Gedicht „Sakramente“ mit den Worten aus: „Er hat uns das Brot und den Wein in sein Fleisch und sein Blut verwandelt. Wir verwandeln einander das Fleisch und das Blut in Brot und Wein.“ Das ist ein österlicher Auftrag, füreinander Brot und Wein zu sein. Im
heutigen Evangelium schickt Jesus die Jünger voraus, damit sie für
ihn Raum schaffen, Gott einen Platz bereiten, damit er mit den
Menschen Gemeinschaft haben kann. Die Fronleichnamsprozessionen sind
für mich wieder ein solches Bild: Wir sind Christusträgerinnen und
Christusträger, die das „Heilige“, das „Allerheiligste“ in
die ganze Welt, in die irdischen Dimensionen unseres Daseins
hineintragen. Kommunion
führt zur Kommunikation. Damit ist aber nicht das viele Plappern
gemeint, das oberflächliche Unterhalten, die Besserwisserei,
sondern das gute Wort, das aufrichtet, das Ohr, bei dem ich meine
Sorgen los werden kann, die liebende Aufmerksamkeit in den kleinen
Dingen des Lebens, Barmherzigkeit und Verzeihen, das Zugehen auf
Menschen in Not. Im
Evangelium spricht Jesus beim Passahmahl den Lobpreis, das
Dankgebet. Eucharistie bedeutet Danksagung. - Dankbarkeit ist eine
Haltung, die wir immer wieder neu mit großer innerer Aufmerksamkeit
leben lernen müssen. Sie ist die Erkenntnis, dass das Leben in all
seinen Erscheinungsformen ein Geschenk ist, für das wir danken dürfen.
Die Kruste der Selbstverständlichkeiten in unserem Leben ist
manchmal sehr dick - in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Kirche.
Oft merken wir erst, wenn uns etwas fehlt, ein lieber Mensch, die
Gesundheit, wofür wir dankbar sein dürfen. Ich
wünsche Ihnen, dass Sie heute Christus erfahren als einen, der mit
ihnen ist auf Ihrem Lebensweg. Ich wünsche Ihnen, dass Sie heute zu
einer Christusträgerin / zu einem Christusträger werden, damit
andere durch Sie an Christus erinnert werden. Ich wünsche Ihnen das
Gespür für die Dankbarkeit. Denn wenn der Mensch ins Danken gerät,
findet Berührung mit dem Geheimnis des göttlichen Lebens statt,
bekommt unser Leben eine neue, tiefere Qualität. |