Erfüllte Zeit

31. 08. 2003, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr

 

Martin Luther King

 

Ich weigere mich, die Vorstellung anzuerkennen, dass der Mensch bloßes Treibgut im Fluss des Lebens ist, unfähig, die sich entfaltenden Ereignisse zu beeinflussen, die ihn umgeben.

 

Ich weigere mich, die Ansicht anzuerkennen, dass die Menschheit derart auf tragische Weise mit der sternlosen Mitternacht des Rassismus und Krieges verstrickt ist, dass der helle Tagesanbruch des Friedens und der Brüderlichkeit niemals Wirklichkeit werden kann.

 

Ich weigere mich, die zynische Bemerkung anzuerkennen, dass Nation für Nation eine militaristische Treppe hinabsteigen muss bis zur Hölle der nuklearen Auslöschung.

 

Ich glaube daran, dass in Wirklichkeit unbewaffnete Wahrheit und bedingungslose Liebe das letzte Wort haben werden. Das ist der Grund, warum Recht, auch wenn es vorläufig besiegt wurde, stärker ist als das triumphierende Böse.

 

Ich glaube daran, dass es selbst mitten in den heutigen Granateneinschlägen und mitten im Pfeifen der Patronen Hoffnung gibt auf ein helleres Morgen.

 

Ich besitze die Kühnheit, daran zu glauben, dass alle Menschen drei Mahlzeiten täglich für ihren Körper, Bildung und Kultur für ihren Geist und Würde, Gleichheit und Freiheit für ihre Seele haben können.

 

Ich glaube daran, dass das, was auf sich selbst fixierte Menschen niedergerissen haben, von Menschen aufgebaut werden kann, die nicht auf sich selbst fixiert sind.

 

Ich glaube immer noch daran, dass die Menschheit sich eines Tages vor dem Altar Gottes verneigen wird, um gekrönt zu werden für den Sieg über Krieg und Blutvergießen, und dass gewaltfrei befreiender guter Wille zum Recht des Landes erklärt wird. Und der Löwe und das Lamm werden nebeneinander liegen, und jeder Mensch wird in seinem Garten sitzen, und niemand wird sich fürchten.

 

Aus: Nobelpreisrede 10.12.1964