Erfüllte Zeit

21. 09. 2003, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr

 

Ladislais Boros

 

Der Mensch steht mit all seiner Beengung, mit seinem Elend und mit seiner Not, aber auch mit all seinen Verheißungen und Hoffnungen an der Spitze des Universums, an der Spitze seiner Entwicklung, die in einer für uns heute noch nicht ganz durchschaubaren Weise in die Abgründe der Zeit hindurchreicht. Das ganze Weltall entfaltet sich auf das Leben hin; das Leben evolviert in die Richtung des Bewusstseins; das Bewusstsein formt sich im Menschen in Geist um; der Geist ist im Grunde die Fähigkeit des Seins für die Vereinigung mit dem absoluten. Die Entwicklung drängt das gesamte Sein nicht nur „vorwärts“, sondern auch immer mehr „hinauf“, zu Gott. Findet der Mensch in seinem individuellen Schicksal zu Gott zurück, so erlangt nicht nur er allein seine eigene Vollendung, sondern er führt das ganze Weltall in das Leben Gottes hinein. Niemand lebt, leidet und stirbt für sich allein. Das Leben des Menschen – und somit auch sein Tod – haben komische Bedeutung. So verstehen wir, warum das Leben des Menschen ein ständiges „Träumen-nach-vorwärts“ ist. Wir tragen den mächtigen Evolutionsdrang des Universums in unserem Innern, einen Drang, der sich in uns vornehmlich als Träumen, Begehren, Ratlosigkeit, Hoffen und Unruhe zeigt.

 

Mit allen Fasern seiner Existenz erfährt sich der Mensch als „Aufgebrochener“. Der Mensch findet keine Ruhe in dem, was er schon erworben hat. Aus den Urgründen der Vergangenheit herkommend, projiziert er sich stets in eine neue Zukunft hinein. Das menschliche Dasein ist ein „Sich-vorweg-Sein“. Das Eigentliche kommt immer nur auf uns zu.

Aus: „ Erlöstes Dasein“