Erfüllte Zeit23. 11. 2003, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr
Johannes 18, 33b – 37von
Veronica Schwed Bist
du der König der Juden? Diese Frage beschäftigt Pilatus. Am
heutigen Christkönigssonntag beschäftigt sie auch mich: Jesus lässt
sich nicht festlegen, weder damals, noch heute. Er will keine
Einschränkung. „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt.“
„Also bist du doch ein König?“
„Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und
in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege.
Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.“ Dieser Dialog ist typisch für das Johannesevangelium, für sein Bild von Jesus Christus: Er ist der König der Wahrheit, er ist in die Welt gekommen, Weltenherrscher von jeher. Nach Johannes scheint diese Königsherrschaft das ganze Leben Jesu bereits durch. Im Tod am Kreuz wird sie dann endgültig offenbar. „Wenn ich von der Erde erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen.“ Bereits
der Prolog, der Anfang des Evangeliums, spricht davon. Er ist ein
einziges Zeugnis für die Königsherrschaft des Logos, der in die
Welt kam um der Welt die Wahrheit zu bringen. Was ist nun diese
Wahrheit? Falsch! Wer ist diese Wahrheit? Gott selbst ist
diese Wahrheit. Wir können uns Gott nur andeutungsweise nähern,
ihn erahnen, unsere Sehnsucht ausdrücken. Gott wird dennoch immer
der ganz andere bleiben. Wir werden die Wahrheit Gottes nie ganz
durchschauen und begreifen. Er allein ist die Fülle der Wahrheit,
die in Jesus Christus „Fleisch“ wurde, - eingefleischt wurde -
und als Mensch in der Welt gelebt hat. Die „Welt“ hat sich
allerdings gegen die göttliche Wahrheit gewehrt. Er war in der
Welt, aber die Welt erkannte ihn nicht. Für mich gesprochen: „Die
Wahrheit ist gekreuzigt worden“. Vom Kreuz aus hat Jesus Christus
die Königsherrschaft angetreten. Ich
weiß, diese Überlegungen sind sehr theoretisch, „steil“,
sozusagen. Ich will sie Ihnen dennoch nicht ersparen, sie sind für
mich wichtig. Zu leicht wäre es, am heutigen Fest Jesu Königsherrschaft
zu beschränken: Auf den „König der Armen“, den „Sozialkönig“,
den „König der Kleinen“, den Friedenskönig... – Ich meine,
alle diese Bilder haben ihre Berechtigung. Eine Reduktion darauf ist
ebenso falsch, wie die des Pilatus. Sie wird Jesus Christus nicht
gerecht, er wird sich dagegen verwehren. Ich merke, wie schwer es
mir selbst fällt, Jesu Königsherrschaft nicht einzuengen,- den
„König im Leid“, den „König am Kreuz“ zuzulassen.
Eine
Wahrheit, die erst durch Leid und Tod ihre Macht zeigt? Leid
und Tod als Zeugnis für die Wahrheit? Und
dann noch der Aufruf: Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf
meine Stimme. Jesu Wahrheit ist die Liebe. Sie ist das Maß allen
Tuns, nach ihr wird alles bewertet, von ihr her wird alles bewertet,
sie alleine zählt. Das scheint mir das grundlegende Missverständnis
des Pontius Pilatus zu sein: Er sieht nicht, wie wahrhaftig Jesus
diese Liebe lebt. Er ermisst nicht, wie weit Jesus in seiner Liebe
geht. Er versteht nicht, dass Jesus Christus die Liebe in Person
ist.
Wir
feiern heute das Christkönigsfest, das Fest der Liebe Jesu Christi
zu den Menschen. Wir feiern die menschgewordene Liebe Gottes, die
bis zum Äußersten geht. Er selbst sagt: Mein Königreich ist nicht
von dieser Welt. Ich beobachte, dass viele weltlichen Herrschaften
nicht durch Liebe sondern durch Machtspiele geprägt sind. Ich
beobachte, dass auch ich selbst nicht von Liebe, sondern von
Machtspielen geleitet werde. Davon unterscheidet sich Jesus
Christus. Er führt das Machtbild der Mächtigen ad absurdum, er
verwehrt sich gegen meine egozentrischen Eitelkeiten: Unbedeutende
sind ihm wichtig, Menschen aus Randgruppen werden in die Mitte
gestellt, Angesehene hingegen scheint er zu übersehen. Ist er
weltfremd? In gewisser Weise ja. Er ist wirklich ein „anderer“ König:
Seine Krone besteht aus Dornen: er trägt das Leid aus Liebe, mehr
noch er trägt in das äußerste Leid die Liebe hinein. Sein Zepter
ist ein gewöhnlicher Stock, ein Wanderstab: er verkündet und lebt
Gottes Liebe zu allen Menschen. Sein Königsmantel ist ein
abgetragener Soldatenmantel: er macht Gottes Solidarität mit den
Armen am eigenen Leib deutlich. Leid aus Liebe, Verkündigung an
alle Menschen und Solidarität mit den Armen sind Grundmerkmale
seines Lebens, seiner „Regierung“. Bist
du der König der Juden? „Mein Königtum ist nicht von dieser
Welt.“ „Also bist du doch ein König?“ |