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Erfüllte Zeit07. 12. 2003, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
Lukas
3, 1 – 6 von
Pfarrer Nikolaus Krasa Da
hat sie uns wieder einmal eingeholt, die stillste Zeit im Jahr, der
Advent. Mit Adventkonzerten und Weihnachtsmärkten, mit dem langen
Einkaufssamstag und den dazugehörigen Samstagmorgen-Staus, mit dem
vorweihnachtlichen Geschenkestress. Das Schöne: Plakate und
Zeitungen haben uns diese Zeit schon lange schmackhaft gemacht, mit
all ihren Angeboten, haben uns beworben, Vorschläge gemacht, was
wir tun können, damit diese Zeit wirklich die Stillste wird im
ganzen Jahr, wohin einkaufen gehen, welches Adventkonzert, welchen
Adventmarkt besuchen... Jetzt sind wir bereits einen Schritt weiter.
Wir können endlich wieder seufzend feststellen, dass sie nicht die
stillste Zeit im Jahr ist, bei all unserer Sehnsucht nach Stille.
Aber vielleicht nächstes Jahr... Ein
Trost: auch im heutigen Evangelium ist diese Zeit nicht still. Ganz
im Gegenteil, es geht in diesem Abschnitt aus dem Beginn des
Lukasevangeliums eigentlich recht laut zu. Da redet Gott einen
Menschen, Johannes sein Name, an. Da beginnt dieser zu verkünden,
recht lautstark, so laut dass die Menschen von überall her zu ihm
kommen. Und das, was er fordert ist noch einmal recht laut. Ein Weg
soll gebaut werden für Gott, im ursprünglichen Bild aus dem
Propheten Jesaia, den Johannes hier zitiert, so etwas wie eine
Autobahn durch die Wüste. Und wenn Schluchten aufgefüllt, Berge
abgetragen werden, damit eine gerade Straße entstehen kann, geht es
vermutlich nicht still und andächtig zu. Auch der Inhalt der
Predigt des Täufers ist laut, direkt, fast aggressiv, wir werden
sie kommenden Sonntag hören. Mehr
noch, es ist Lukas selbst, der den Hauptteil seines Evangeliums
lautstark, gewichtig beginnt (die heutige Perikope stellt nach einer
Art Vorwort, den zwei Kapiteln der Kindheitsgeschichte, den Beginn
der eigentlichen Handlung des Evangeliums dar). Vom mächtigsten
Mann der Welt, dem römischen Kaiser Tiberius spannt er den Bogen über
die lokalen politischen Größen in Galiläa zum Sohn des Zacharias,
zu Johannes. Was hier kommt, was jetzt beginnt hat weltpolitische
Bedeutung, hat Gewicht, übertönt das Konzert der Mächtigen dieser
Welt.
Also
überhaupt keine Stille in diesem Evangelium? Nicht ganz. Mit einem
Wort wird sie erwähnt, ganz kurz, nur im Vorübergehen: Der Wohnort
des Johannes wird angegeben. Er ist der Ort der Stille schlechthin:
die Wüste. Weitab vom hektischen Treiben der Großstädte und Dörfer,
weitab vom Konzert der Mächtigen. Wenigstens einer, der einen
richtig beschaulich stillen Advent lebt. Gottseindank – die
adventliche Idylle ist gerettet. Da ist endlich einer, der die
Stille des Advent lebt. Nur: was ist die Erfahrung, die Johannes
macht? Was erlebt er in der Einsamkeit der Wüste? Etwa
300 Jahre nach Johannes versuchen Männer und Frauen die Erfahrung
des Johannes zu wiederholen. Sie ziehen sich in die Wüsten östlich
Jerusalems und beiderseits des Nil zurück. Diese ersten
christlichen Mönche machen eine erstaunliche Entdeckung. Die Wüste
ist gar nicht so still. Außen vielleicht, aber innen nicht. In der
äußeren Stille beginnen sie ihre innere Unruhe erst richtig zu spüren.
Die inneren Berge und Täler, was krumm und rau geworden ist im
eigenen Leben, um die Bilder des Propheten Jesaia, die das heutige
Evangelium zitiert, noch einmal aufzugreifen. Und sie spüren die
innere Unruhe die entsteht, wenn diese Berge abgetragen, die Täler
aufgefüllt werden. Ihre Erfahrungen, die sie weitererzählen, die
aufgeschrieben werden, gehören zu Faszinierendsten, was im Laufe
der christlichen Frömmigkeitsgeschichte aufgezeichnet wurde. Vielleicht
ist genau das Advent. Stille und Lärm, beides zusammen. Wer Stille
sucht, wird mit Lärm, mit Unruhe konfrontiert. Wer in der Unruhe
und Hektik steckt sehnt sich nach Stille. Und beides, beide Pole
machen unser Menschsein aus. „Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe
findet in Gott“, so beschreibt Augustinus diese Erfahrung. So
gesehen ist Advent die unruhigste Zeit im Jahr, die Zeit, in der wir
unserer inneren Unruhe trauen dürfen, weil sie uns immer wieder
daran erinnert, dass unser Leben hier nicht zu seinem Ziel kommt.
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