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Erfüllte Zeit08. 12. 2003, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
Lukas 1, 26 – 38
von
Veronica Schwed Bei
der Vorbereitung dieses Beitrags bin ich zuerst einmal über das
Evangelium gestolpert. Ich finde es auf den ersten Blick verwirrend,
dass heute der Text verkündet wird, in dem der Engel Gabriel zu
Maria kommt und ihr sagt, dass sie ein Kind bekommen wird. Am Fest
Maria Empfängnis geht es doch darum, dass Anna – die Mutter
Marias - ihre Tochter empfangen hat. - Früher habe ich mich
gefragt, warum die Schwangerschaft Mariens mit Jesus nur vom 8.-25.
Dezember gedauert hat... Ich
habe meine Kritik an der Auswahl des Evangeliums vor zwei
priesterlichen Freunden geäußert. Beide sind mir eher entrüstet
ins Wort gefallen und haben den Satz des Engels Gabriel zitiert:
„Du bist voll der Gnade.“ Dieser Satz ist die Erklärung des
heutigen Festes, meinen sie. Für mich ist der Schlüssel zum Inhalt
von „Maria Empfängnis“ deutlicher im Tagesgebet zu finden. Dort
heißt es: Gott will seinem Sohn eine würdige Wohnung bereiten. Es
ist faszinierend, dass Gott wie ein Architekt einen Grundbauplan des
Menschen hat. Das ist auch die Botschaft des Engels an Maria: „Du
bist voll der Gnade.“ Was bedeutet dieser abstrakte Begriff „Gnade“? Gnade kommt vom griechischen Wort „Charis“, bei uns bekannt als „Charme“. Im Duden findet sich zu „charmant“ die Erklärung: liebenswürdig, bezaubernd, für sich einnehmend. Das Charisma ist also die besondere Ausstrahlungskraft eines Menschen, seine Anmut als ganzer Mensch. Ein liebenswürdiges Wesen ist ein Geschenk. Zwar können Eltern versuchen, ihre Kinder zur Liebenswürdigkeit zu erziehen, doch die Grundlagen bekommt der Mensch gegeben. Charme, Charisma ist eine Gabe Gottes. Gott
hat Maria damit reich beschenkt! Sie hat ihre Geduld, ihre
Freundlichkeit und ihr einnehmendes Wesen unter Beweis gestellt: im
Umgang mit den Hirten, bei der Hochzeit von Kana, mit den anderen
Frauen unter dem Kreuz. Das, was Gott an dieser Frau getan hat, gilt
aber nicht nur ihr allein. An Maria zeigt Gott den Menschen, was er
mit ihnen vor hat. Er hat dieser Frau seine ganze Liebe, seine ganze
Zuwendung geschenkt. An Maria verwirklicht Gott seinen Bauplan für
die Menschen. So kann menschliches Leben gelingen. Das, was Gott an
Maria getan hat, das hat er mit jedem Menschen vor. Er will jedem
und jeder von uns seine Gnade schenken, in jedem Menschen „Mensch
werden“ und jede und jeden in sein Reich aufnehmen. Allerdings
zwingt Gott niemanden. Er gibt die Freiheit, sein charmantes
Geschenk anzunehmen oder abzulehnen. Er lässt zu, wie wir damit
umgehen: ob wir es in die Ecke stellen und verstauben lassen, ob wir
es verschandeln oder sogar zerbrechen. Wie wir auf Gott reagieren, hängt
nicht nur von uns selbst ab, sondern auch von dem Umfeld, in das wir
hineingeboren wurden. Zustimmung
und Ablehnung sind vorgeprägt durch die Entscheidungen, die
Menschen vor uns getroffen haben und neben uns treffen. Quer durch
alle Zeiten und durch alle Menschen wird Gott abgelehnt. Für mich
beschreibt diese Tatsache am genauesten das Wort „Sündenverflochtenheit“.
Die Kirche nennt das „Erbsünde“. Maria
hat ja zu Gott gesagt. Nicht nur einmal auf die Anfrage des Engels
Gabriel, sondern durch ihr ganzes Leben. Sie hat Gott vertraut, ihr
Leben nach ihm ausgerichtet, sich von ihm führen lassen. Am
heutigen Festtag wird deutlich, dass und wie sich Gott angekündigt
hat. Gott hat seine Menschwerdung vorbereitet. Gott bereitet seinem
Sohn in Maria eine würdige Wohnung. Es ist kein Zufall, dass er in
Jesus Christus in diese Welt gekommen ist, sondern von Anfang an
Ziel der Schöpfung: Auf Jesus Christus hin wurde alles geschaffen. Wie
Maria ist jede und jeder von uns dazu berufen, als begnadeter Mensch
würdige Wohnung Gottes zu sein und zu werden. Heute wird mir
bewusst, dass mein Leben von Gott gewollt ist, dass er mir seine
Gnade, seinen Charme schenkt. Er gibt meinem Leben ein Ziel, einen
Auftrag. Den Grundbauplan hat Gott in unserem Leben schon
verwirklicht. Wie es aber in dieser Lebenswohnung aussieht, ob Jesus
Christus darin einziehen kann und darf, bleibt Ihnen und mir überlassen.
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