Erfüllte Zeit

14. 12. 2003, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

Lukas 3, 10 – 18

von Prof. Gerhard Bodendorfer

 

Da fragten ihn die Leute: Was sollen wir also tun? Er antwortete ihnen: Wer zwei Gewänder hat, der gebe eines davon dem, der keines hat, und wer zu essen hat, der handle ebenso. Es kamen auch Zöllner zu ihm, um sich taufen zu lassen, und fragten: Meister, was sollen wir tun? Er sagte zu ihnen: Verlangt nicht mehr, als festgesetzt ist. Auch Soldaten fragten ihn: Was sollen denn wir tun? Und er sagte zu ihnen: Misshandelt niemand, erpresst niemand, begnügt euch mit eurem Sold! Das Volk war voll Erwartung, und alle überlegten im stillen, ob Johannes nicht vielleicht selbst der Messias sei. Doch Johannes gab ihnen allen zur Antwort: Ich taufe euch nur mit Wasser. Es kommt aber einer, der stärker ist als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe aufzuschnüren. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen. Schon hält er die Schaufel in der Hand, um die Spreu vom Weizen zu trennen und den Weizen in seine Scheune zu bringen; die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen. Mit diesen und vielen anderen Worten ermahnte er das Volk in seiner Predigt.

 

Das vorliegende Evangelium beginnt mit einer Belehrung Johannes des Täufers. Leider ist im Text der wichtige Vers 3 nicht mehr genannt, in dem es heißt: Und er kam in die ganze Umgebung des Jordan und verkündete eine Bußtaufe zur Sündenvergebung. Genau hier setzt der heutige Evangelientext ein. Die Wassertaufe des Johannes besiegelt einen Entschluss, den der Mensch freiwillig auf sich nimmt, einen Entschluss, das ganze Leben ab jetzt unter Gottes Herrschaft und seine richterliche Autorität zu stellen und auf seine Vergebung zu hoffen. Die Menschen, die zu Johannes kommen, sind bereit, ihr Leben zu verändern, völlig neu zu gestalten. Die Besprengung mit Wasser ist letztes sichtbares Zeichen dieser Veränderung, nicht aber die Veränderung selbst.

 

Durch die Taufe allein wird niemand anders und niemand kann sich allein dadurch sozusagen ins Himmelreich schwindeln. Johannes stellt unmissverständlich klar, dass kein Mensch dem Gericht Gottes entfliehen kann, der nicht in seinem konkreten Leben Früchte bringt, die der Buße würdig sind. So sagt er in Vers 9: Jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. Das Feuer ist Symbol des göttlichen Gerichts. Hier setzt die Anfrage der Menge ein, die Johannes umgibt. Es sind Menschen, die offensichtlich bereit sind, diese Voraussetzungen zu akzeptieren. Und sie fragen zu Recht: Was sollen wir tun?

 

Die Antwort des Johannes ist leicht und schwer gleichzeitig und in ihrem ethisch-moralischen Anspruch aktuell. Das Geheimnis der Umkehr bei Johannes ist die Machbarkeit, die Fähigkeit des Menschen, diesen Vorgaben zu entsprechen. Gerade weil Johannes nicht Unmögliches, Übermenschliches verlangt, ist seine Botschaft umso eindringlicher. Wer wirklich umkehren will, wer auf Gottes Wegen wandeln möchte, kann dies tun. Johannes erläutert an Beispielen, was er meint: Wer zwei Gewänder hat, gibt eines her. Eines, nicht alle zwei. Eines braucht der Mensch selbst und das soll ihm auch bleiben. Der Mensch soll nicht gezwungen werden, das Letzte zu teilen, etwa den Mantel zu zerschneiden, wie es der Hl. Martin tat, der außer diesem Mantel nichts mehr am Leib trug. Wer fünfzig Kleider hat, mag 25 hergeben, wer vielleicht 100 Paar Schuhe besitzt, sich von ein paar Dutzend trennen. Wer genug zu essen hat, gibt etwas davon her. Die Hungrigen brauchen nicht zu teilen.

 

Gerade diese Stelle läuft den so oft gemachten Erfahrungen zuwider. Im Alltag geben jene, die wenig haben, viel, oft mehr als die Wohlhabenden. Nach Johannes sollte es umgekehrt sein. Jene, die genug haben, sollen teilen, nicht die Armen. Aber Johannes bleibt nicht bei Essen und Kleidung stehen, er spricht auch zwei besonders symbolträchtige Gruppen an, nämlich Zollbeamte und Soldaten. Erstere stehen für eine in der Öffentlichkeit seiner Zeit sehr unbeliebte Gruppe von Steuereinnehmern, deren schlechter Ruf sich gerade aufgrund der ihnen unterstellten Bereicherung ergab.

 

Bis ins 19. Jh. hinein haben Zöllner auch bei uns einen ganz schlechten Ruf, werden als unehrliche Leute gemieden, manchmal auch verfolgt, (wie übrigens auch Chirurgen, Schauspieler oder Scharfrichter). Auch in der Antike schon traf den Steuereintreiber oft die Wut der Menge, die eigentlich nicht ihm, sondern dem System, den Gesetzgebern galt, die einen hohen Steuerdruck an den Steuereinnehmer weitergaben. Für Johannes genügt, wenn der Zöllner nur das nimmt, was er von Gesetz wegen nehmen darf. Dann ist er vor Gott gerecht. Das Urteil der Menge mag er damit nicht beeinflussen, dem Steuereinnehmer schafft er eine Möglichkeit, auch diesen Beruf mit erhobenem Haupt auszuführen. Ähnliches gilt für die Soldaten. Johannes fordert nicht, die Waffen niederzulegen, sondern lediglich, gerade in Friedenszeiten nicht das Waffentragen zu missbrauchen, um Geld zu gewinnen. Rechter Erwerb, richtiger Gebrauch des Vermögens stehen im Mittelpunkt der Botschaft des Johannes. Die Botschaft schafft Menschenwürde für alle, auch für jene, deren Beruf mit der Versuchung zum Missbrauch verbunden und gleichzeitig mit einem sehr schlechten Image versehen ist.

 

Diese Rede von der Umkehr, von der machbaren Lebensführung verursacht viele im Volk, Johannes gar als einen erwarteten Heilsbringer zu sehen. Aber er wehrt diese Erwartung ab und verweist auf einen anderen, Kommenden. Aber auch der wird vor allem die Aufgabe des Gerichts haben. Die Voraussetzungen gelten also auch hier. Wer die Anforderungen des rechtmäßigen Lebens vor Gott einhält, wer bereit ist, sein Leben umzustellen und die durchaus machbaren ethischen und moralischen Forderungen des Johannes einhält, hat gute Chancen, auch in diesem Gericht als Weizen von der Spreu getrennt zu werden.