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Erfüllte Zeit21. 12. 2003, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
Prof. Gerhard Bodendorfer Nach einigen Tagen machte sich Maria auf den Weg und
eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa. Sie ging in das Haus des
Zacharias und begrüßte Elisabet. Als Elisabet den Gruß Marias hörte,
hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist
erfüllt und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du mehr als alle
anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin
ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? In dem Augenblick,
als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem
Leib. Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der
Herr ihr sagen ließ. Der Text des heutigen Evangeliums wird in die
Johannes- und die Jesusüberlieferung verwoben und durch die
prophetische Begabung einer Frau in das großartige Loblied übergeführt,
das wir Magnificat nennen und gleich im Anschluss folgen wird.
Zuerst aber ist es Jesu Mutter, Maria, die sich aufmacht, um der
ebenfalls schwangeren Elisabet einen Besuch abzustatten. Schon bei
dieser ersten Begegnung kommt es zu einem Freudensausbruch des Fötus
im Mutterleib. Es ist keineswegs nur moderne Einsicht, dass bereits
Ungeborene Notiz von der Außenwelt nehmen. In der Antike, nicht
zuletzt im antiken Judentum, hat man immer wieder von
vorgeburtlichen Erlebnissen von Kindern berichtet. So heißt es in
der jüdischen Tradition zu den biblischen Zwillingen Jakob und Esau,
dass sie sich bereits im Mutterleib hoffnungslos gestritten hätten.
Esau habe immer dann zu hüpfen begonnen, wenn seine Mutter an einem
Götzentempel vorbeikam, während Jakob sich bewegte, wenn sie eine
Synagoge passierte. In unserem Evangelium hüpft Johannes vor Freude über
den kommenden Jesus, dem er sich später deutlich unterordnen wird.
Schon im Mutterleib ist Johannes Prophet und Vorläufer Jesu. Reden
kann er freilich noch nicht: Das prophetische Wort kommt von seiner
Mutter Elisabet. Dazu muss man wissen, dass in der jüdischen Tradition
Prophetie als eine Gabe des göttlichen Geistes verstanden wurde,
die es ermöglicht, die Zukunft zu schauen. Die etwas eigenartige
sprachliche Wendung "Gesegnet bist du unter den Frauen"
muss man als Superlativ so verstehen, dass Maria vor allen Frauen,
bzw. mehr als alle Frauen gesegnet ist. Ein Vorzug wird ausgedrückt,
der den Grund in ihrem Kind Jesus hat. Das prophetische Wort ist in
einen Segensspruch verpackt, der jedoch nicht als Wunsch formuliert
ist, sondern als Tatsache festgestellt wird. Maria ist wegen ihres
Kindes gesegnet. Alles, was dieses Kind tun wird, wird hier
prophetisch vorweggenommen. Selig ist Maria, weil sie vertraut hat,
dass alles eintreffen wird, was Gott ihr durch den himmlischen Boten
vermittelt hat. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass der
Mann der Elisabet, Zacharias, im Unterschied nicht vertraute. Zwar
hatte er um ein Kind für ihn und seine unfruchtbare Frau gebetet,
aber wie seinerzeit Abraham verwies er auf sein hohes Alter, als ihm
schließlich der Bote Gabriel erschien. Er wollte es nicht glauben,
als der ihm sagte, dass sie einen Sohn bekommen wird, der bereits im
Mutterleib mit heiligem Geist erfüllt sein wird. Viele der Kinder
Israels, so heißt es weiter im Text, wird er zum Herrn, ihrem Gott,
zurückführen. Er wird mit dem Geist und mit der Kraft des Elija
dem Herrn vorangehen, um das Herz der Väter wieder den Kindern
zuzuwenden und die Ungehorsamen zur Gerechtigkeit zu führen und so
das Volk für den Herrn bereit zu machen. Im Alten Testament hatte diese Aufgabe des in den
Himmel entrückten Propheten Elija das große Prophetenkorpus
abgeschlossen. Am Ende der Propheten steht, dass Gott Elija senden
wird, um die Menschen wieder auf Gottes Gerechtigkeit einzuschwören,
ihnen erneut den Weg zu zeigen, durch den sie vor Gott gerecht sind.
Damit wollte er den Pfad bereiten für Gott, damit Er wieder kommen
und sich das Gottesreich im Volk ausbreiten kann. Im Neuen Testament
ist diese Rolle dem Täufer Johannes beschieden, der das Volk aufrüttelt,
ermahnt und wieder zu Gott führt. Damit bereitet er den Weg für
das Reich Gottes, das sich jetzt im Wirken Jesu auszubreiten
beginnen kann. Darum ist die in unserem Evangelium leider nicht mehr
erwähnte gleich darauf folgende Antwort der Maria auch so aussagekräftig.
In diesem wunderschönen Gebet, dem berühmten
Magnificat preist Maria Gott für sein machtvolles Wirken in der
Geschichte, sein Handeln an den Armen und seine Gerechtigkeit, die
vor allem im Herstellen sozialer Ordnung deutlich wird. Reiche,
Hochmütige und Mächtige werden leer ausgehen. Gottes Reich ist auf
Seiten der Armen. Doch hat jeder Mensch die Chance, umzukehren.
Johannes wird sie lautstark verkünden und damit Jesus den Weg
weisen, dessen Botschaft die Umkehr des Menschen gerade im Blick auf
die soziale Verantwortung fordert.
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