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Erfüllte Zeit25. 12. 2003, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
Alpais
von Cudot (1150 – 1211) Der
süße Tau der anfanglosen Dreifaltigkeit hat sich gesprengt aus dem
Quell der ewigen Gottheit in den Schoß der auserwählten Magd, und
des Schoßes Frucht ist ein unsterblicher Gott und ein sterblicher
Mensch und ein lebender Trost der ewigen Freude, und unsre Erlösung
ist Bräutigam geworden. Die Braut ist trunken worden vom Anschauen
des edlen Antlitzes. In der größten Stärke kommt sie aus sich
selber, und in der größten Blindheit sieht sie am allerklarsten.
In der größten Klarheit ist sie zugleich tot und lebendig. Je länger
sie tot ist, um so fröhlicher lebt sie. Je fröhlicher sie lebt, um
so mehr erfährt sie. Je kleiner sie wird, um so mehr fließt ihr
zu. Je reicher sie wird, um so ärmer ist sie. Je tiefer sie wohnt,
um so breiter ist sie. Je gebieterischer sie ist, um so tiefer
werden ihre Wunden. Je mehr sie stürmt, um so liebreicher ist Gott
gegen sie. Je höher sie schwebt, um so schöner leuchtet sie von
dem Gegenblick der Gottheit, je näher sie ihm kommt. Je demütiger
sie Abschied nimmt, um so eher kommt sie wieder. Je heißer sie
bleibt, um so eher entglimmt sie. Je mehr sie brennt, um so schöner
leuchtet sie. Je mehr Gottes Lob verbreitet wird, um so weniger
schwindet ihre Gier.
Da
Gott nicht mehr wollte in sich selber sein, da machte er die Seele
und gab sich ihr zu eigen aus großer Liebe. Woraus bist du gemacht,
Seele, dass du so hoch steigst über alle Kreaturen, und mengst dich
in die Heilige Dreifaltigkeit und bleibst doch ganz in dir selber?
Ich bin an jener Stätte gemacht aus der Liebe, darum kann mir keine
Kreatur nach meiner edlen Natur genugtun und keine mich öffnen als
allein die Liebe. Aus: Martin Buber, "Mystische Zeugnisse aller Zeiten und Völker"
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