Erfüllte Zeit

01. 01. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

Meister Eckhart über das Gebet 

 

Das kräftigste Gebet und nahezu das allmächtigste, alle Dinge zu erlangen, und das allerwürdigste Werk vor allen ist jenes, das hervorgeht aus einem ledigen Gemüt. Je lediger dies ist, um so kräftiger, würdiger, nützer, löblicher und vollkommener ist das Gebet und das Werk. Das ledige Gemüt vermag alle Dinge.

 

Was ist ein lediges Gemüt?

Das ist ein lediges Gemüt, das durch nichts beirrt und an nichts gebunden ist, das sein Bestes an keine Weise gebunden hat und in nichts auf das Seine sieht, vielmehr völlig in den liebsten Willen Gottes versunken ist und sich des Seinigen entäußert hat. Nimmer kann der Mensch ein noch so geringes Werk verrichten, das nicht hierin seine Kraft und sein Vermögen empfinge.

 

So kraftvoll soll man beten, dass man wünschte, alle Glieder und Kräfte des Menschen, Augen wie Ohren, Mund, Herz und alle Sinne sollten drauf gerichtet sein; und nicht soll man aufhören, ehe man empfinde, dass man sich mit dem zu vereinen im Begriff stehe, den man gegenwärtig hat und zu dem man betet, da ist: Gott.

 

Aus: Meister Eckhart – Deutsche Predigten und Traktate