Erfüllte Zeit

18. 01. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

Johannes  2, 1 – 12
von Christa Schnabl

 

Die Hochzeit zu Kana – ein Klassiker unter den biblischen Geschichten. Vielen ist sie sehr vertraut; dennoch eine Geschichte mit vielen Anspielungen und Symbolen, die sich nicht in jeder Hinsicht schlüssig erklären lassen. Sie hat die Ausleger schon oft in Verlegenheit gebracht. Irritierend ist z. B. die Schroffheit, mit der Jesus seine Mutter zurückweist oder auch die große Menge Alkohol, die bei dieser Hochzeit durch die Verwandlung von Wasser in Wein im Spiel ist. Manchmal wird deshalb, vor allem im Volksmund gleich noch ein Wunder hinzugefügt, nämlich, dass man von diesem Wein nicht betrunken wird.

 

Schon am Beginn steht ein durch und durch symbolischer Auftakt. „Am dritten Tag fand eine Hochzeit statt.“ Damit lädt der Autor das Ereignis einer Hochzeit heilsgeschichtlich-theologisch auf und spielt auf den dritten Tag nach dem Tod Jesu, den Tag der Auferstehung an. Die Auferstehung Jesu ist das Einsatzzeichen für ein göttliches Handeln, hier im Zusammenhang mit dem Sichtbarwerden, dass es mit Jesus etwas Besonderes, etwas Göttliches auf sich hat. Der dritte Tag, dies entspricht dem Dienstag bei uns, ist im Judentum außerdem ein beliebter Hochzeitstag. Auch eine Hochzeit steht für etwas Außergewöhnliches, für die Besiegelung einer besonderen Verbindung unter Menschen; aber auch theologisch ist die Hochzeit als Bild für die Bindung, die Gott mit seinem Volk eingeht – schon im Alten Testament - verwendet worden. Die Hochzeit symbolisiert aber auch die messianische Zeit. So wird das Anbrechen der Heilszeit mit einer Hochzeitsfeier verglichen (Vgl. verschiedene Gleichnisse Jesu, wo jemand zu einer Hochzeitsfeier einlädt.)

 

In der Regel sind Hochzeiten so wichtige Ereignisse, dass man sie gut plant. Dennoch wird in dieser Geschichte davon erzählt, dass der Wein, Symbol für das Feiern, für die Fülle, für die Freude, ausgeht. Im Rahmen einer Hochzeit eine extrem peinliche Geschichte. In der Logik des Johannesevangliums ist auch das symbolisch zu deuten. Der Gemeinde (dem jüdischen Volk) ist die Quelle der Freude und des Feierns abhanden gekommen. Sie trocknet aus, geistig natürlich. An dieser Stelle wird eine gewisse antijüdische Spitze des Johannesevangeliums spürbar.

 

Nun kommt die Mutter Jesu (sie wird in dieser Geschichte nie mit dem Namen Maria, Mirjiam angesprochen) ins Spiel. Sie bildet eine Art Brücke zwischen der Hochzeitsgesellschaft (Gemeinde) und Jesus. Als Sprachrohr leitet sie Jesus die Tatsache weiter, dass der Wein ausgegangen ist. Jesus jedoch weist sie ruppig und abwehrend zurück: „Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“ Er antwortet so, als hätte seine Mutter bereits den Anspruch an ihn herangetragen, zu zeigen, wer er wirklich ist. Jesus jedoch wehrt ab. Die Stunde, d.h. der kairos, der richtige Zeitpunkt der Selbstoffenbarung ist noch nicht da.

 

Wie reagiert nun die Mutter darauf? Sie lässt sich überraschenderweise durch Jesu Abwehrhaltung nicht einschüchtern. In dieser Geschichte ich sie also gar nicht die Gehorsame. Sie handelt jetzt auf eigene Faust, sie gibt die Worte Jesu völlig anders weiter. Sie übergeht, was Jesus zu ihr sagte, indem sie die Diener der Hochzeitsgesellschaft anweist, das zu tun, was Jesus ihnen sagt. Seine Mutter spricht damit einen Rollenwechsel Jesu an, der damit vom Gast zum Hausherrn wird, der Anweisungen erteilt und dem alle folgen sollen. Es scheint, als würde Jesus selbst nicht daran denken, ein Zeichen setzen zu wollen; seine Mutter jedoch ist davon überzeugt, dass Jesus diese Situation in die Hand nehmen wird.

 

Und Jesus tut es schließlich auch, ohne seinen Meinungsumschwung allerdings zu begründen. Woher kommt der Wandel? Dafür gibt es keine Antwort; es scheint, die Zuversicht und die Erwartungshaltung seiner Mutter geben den Ausschlag. Ein Zeichen Jesu – auf Veranlassung seiner Mutter also.

Jesus, durch die Intervention der Mutter in der Rolle des Hausherrn, weist nun die Diener an, Wasser in die riesigen Krüge zu füllen, die dem Zeremoniell nach für das Reinigungsritual zur Verfügung gestellt worden sind. Die konkreten Vorgänge der Wandlung von Wasser in Wein bleiben im Dunkeln. Jesus fordert bloß die Diener auf, aus den Krügen zu schöpfen und das Wasser (!) dem brüskierten Verantwortlichen des Festmahls zu bringen. Dieser kostet und konstatiert erstaunt und verwundert, dass aus dem Wasser Wein geworden war. Die Diener jedoch sind über die Vorgänge im Bilde und nicht verwundert.

Jesus beschließt dieses Ereignis im Blick auf den Bräutigam mit einer Belehrung, die jedoch nicht besonders nobel ausfällt. Er weist den Bräutigam zurecht, da er gegen den guten Ton zuerst den schlechten und dann den guten Wein vorgesetzt hat. Intuitiv würde man eigentlich den Bräutigam verteidigen wollen: wie soll der Bräutigam vorhersehen, dass Jesus ein Zeichen setzen wird, zumal er selbst offensichtlich nicht mit dem Vorhaben erschienen ist, dies zu tun. Wie soll man diese jesuanische Rüge des Bräutigams „Du jedoch hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten“ deuten???? Dies bleibt unklar. Deutlich wird, dass die Qualität des Weines sehr gut ist und dass dieser Wein im Überfluss da ist. Dies sei vielleicht vor allem verklemmten christlichen Asketen ins Stammbuch geschrieben: in dieser Wein-Geschichte wird vom Verlangen nach Lebensfreude gesprochen, die - recht materiell – durch ein völlig überdimensioniertes Weinlager zum Ausdruck kommt. Jesus erfüllt dieses Bedürfnis noch dazu. Sehr sinnlich wird damit die Ansage Jesu illustriert: Jetzt ist der gute Wein, die messianische Zeit, die Heilszeit da. Dies ist das erste der Zeichen Jesu.