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Erfüllte Zeit25. 01. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
Lukas 1, 1 – 4; 4, 14 – 21 von Christa Schnabl Der
Text dieses Sonntags setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Aus der Eröffnung
des Lukasevangeliums und aus der Beschreibung des ersten Auftretens
Jesu in seiner Heimat. Kurz zum Beginn. Der Verfasser des
Evangeliums spricht davon, dass er selbst verschiedenen Überlieferungen,
die auf Augenzeugen zurückgehen und die ihm selbst vorgelegen sind,
sorgfältig nachgegangen ist, um für Theophilus, einem
Heidenchristen, die Zuverlässigkeit der Lehre nachvollziehbar zu
machen. Damit sagt der Verfasser, dass ihm offensichtlich diverse
schriftliche Vorlagen vorliegen, die schon im Umlauf gewesen sein
mussten und auf die er sich bezieht.
Das
Lukasevangelium, verfasst vermutlich um etwa 80-90 nach Christus,
ist zunächst im Blick auf Heiden oder Heidenchristen verfasst
worden. Dabei geht es nicht um einen Tatsachenbericht im modernen
Sinn, sondern um die Vermittlung einer Botschaft über Jesus von
Nazaret, die in Form von verschiedenen Geschichten zuverlässig, wie
der Verfasser schreibt, aber literarisch bewusst ausgestaltet wird.
Die für uns so wichtige Frage: Wie war es wirklich?, ist dabei von
untergeordneter Bedeutung. Geschichte und Deutung fließen im
Evangelium zusammen.
Der
zweite Teil dieses Textes, wie schon gesagt für Heidenchristen
geschrieben, beschreibt Jesus jedoch zunächst als gläubigen Juden,
der regelmäßig in die Synagoge geht und der aus der Tradition der
jüdischen Schrift heraus lebt. Vor diesem Hintergrund erklärt er
auch, wer er ist. Ganz auf der Basis der jüdischen Tradition weist
er auf das Neue hin. Jesus lehrte in verschiedenen Synagogen und
kommt schließlich auch in seine Heimatgemeinde Nazaret, dorthin wo
er aufgewachsen war. Dies ist eine kritische Situation, zumal es
nicht leicht ist, dort wo man schon als kleines Kind lebte und
aufgewachsen ist, dort wo einem jeder und jede von klein auf kennt,
Anerkennung für eine besondere Aufgabe, für eine besondere
Berufung zu finden. Deshalb lehrte Jesus auch zuerst an
verschiedenen anderen Orten. „Er lehrte in den Synagogen und wurde
von allen gepriesen.“
Dann kehrt Jesus auch in seine Heimatgemeinde zurück. Dort fügt er sich
zunächst ganz in die jüdische Tradition ein und geht, wie gewohnt,
am Sabbat in die Synagoge. Dort fungiert er auch als „Lektor“,
indem er aus der Schrift die Lesung vorträgt. Bevor es jedoch dazu
kommt, wird ungewöhnlich detailliert geschildert, was wie vor sich
geht. Dies vermutlich ich zweifacher Absicht, erstens um
Heidenchristen einen Eindruck vom jüdischen Synagogengottesdienst
zu vermitteln, die sie aus eigener Erfahrung ja nicht kennen und
zweitens natürlich um die Spannung aufzubauen: Als er aufstand, um
aus der Schrift vorzulesen, reichte man ihm das Buch des Propheten
Jesaja. Er schlug das Buch auf und fand die Stelle, wo es heißt:
„Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich
gesalbt.“...
Es
ist eine besondere Stelle, die an diesem Tag dran ist. Der Gesalbte
nämlich ist, wörtlich übersetzt, der Messias. Im Alten Testament
wird z.B. der König gesalbt, aber auch im Rahmen der messianischen
Erwartungen spielt der Gesalbte Gottes eine Rolle. Der Gesalbte ist
jemand, der durch und durch vom Geist Jahwes bestimmt wird. Drum heißt
es auch: der Geist Gottes ruht auf mir. Im Übrigen: im hebräischen
ist der Geist Gottes, hebr. die ruah Gottes (wörtlich: Windhauch)
weiblich.
Nun,
was ist mit diesem Geist Gottes konkret gemeint? Was kennzeichnet
die messianischen Erwartungen? Auch dies wird schon in der
Jesajastelle erläutert: damit ich den Armen eine gute Nachricht
bringe, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den
Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit
setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe. Das alles sind
Kennzeichen der messianischen Zeit. Alles sehr konkrete handfeste
Dinge, die sowohl im Alten wie im neuen Testament die messianische
Heilszeit anzeigen. Das Heil ist so gesehen recht weltlich. Es
besteht nicht in der Flucht aus der Welt oder im gleichgültigen Zurücklassen
der Welt, sondern in der Veränderung der irdischen Welt, der persönlichen,
der politischen und der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Heil ist,
wenn Arme als Opfer von Ausbeutung und Unterdrückung die gute
Nachricht vom Ende dieses Zustands erhalten; Heil ist, wenn
Gefangene entlassen werden. Heil ist, wenn Blinde wieder sehen
lernen. Diese Merkmale der messianischen Zeit, wie sie bei Jesaja
beschreiben werden, bilden auch den Kern der Botschaft und den Kern
des Handelns Jesu, wie es Geschichte um Geschichte beschrieben wird:
Jesus heilt Kranke, verkündet Armen die Botschaft vom Ende der
Unterdrückung und den Zerschlagenen (d.h. jene, die zu Unrecht
verurteilt worden sind, weil das Rechtssystem nicht funktionierte)
die Freiheit ... Ebenso heißt es im Magnifikat: er stürzt die Mächtigen
vom Thron und erhöht die Niedrigen, die Hungernden beschenkt er mit
seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen... oder in der
Gerichtsrede, wo das Heil daran gemessen wird, ob jemand Hungrigen
zu essen gegeben hat oder Durstigen zu trinken....oder ob man Fremde
und Obdachlose aufgenommen hat.... Das Heil ist damit innerweltlich
greifbar. Klassengegensätze werden aufgehoben, Randgruppen wird zum
Recht verholfen, eine egalitäre Gesellschaft wird hergestellt.
Kehren
wir zurück zum Synagogengottesdienst in Nazaret. Nach dem Verlesen
der Stelle aus dem Jesajabuch verlässt Jesus schließlich die Rolle
des Lektors und wird zum Interpreten. „Dann schloss er das Buch,
gab es dem Synagogendiener und setze sich. Die Augen aller in der
Synagoge waren auf ihn gerichtet. - Spannung pur -
Jesus beginnt ihnen darzulegen: heute hat sich das
Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.
Lapidar
meldet Jesus damit seinen Anspruch an. Ich bin es, der die
Erwartungen an das Heil erfüllt. Die messianische Zeit ist
angebrochen. Die Wende ist da, die messianische Zeit im Kommen.
Der
Lektor, der sich als Messias erweist, ist einer, der die Tradition,
wohlgemerkt die jüdische Tradition, hochhält, ohne dass dies zum
Traditionalismus führt, denn das Neue tritt mitten aus dem Alten
hervor.
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