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Erfüllte Zeit09. 05. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
Dorothee Sölle
Die
Fülle des Lebens zu haben, wie in der Bibel steht, ist doch nichts
anderes als Glück. Sterben zu können gehört dazu. Als meine
Mutter starb, sagte sie: Ich habe ein erfülltes Leben gehabt. Sie
war dankbar und wollte gehen. Das hat mir sehr geholfen. Dankbarkeit
ist für mich auch sehr wichtig. Wirkliches Glück fließt ganz von
selbst in eine große Dankbarkeit. Die Kategorien von Erfolg und
Leistung verschmelzen mit denen von Geschenk und Gnade. Das ist mehr
als das euphorische Gefühl, etwas geschafft zu haben. So entsteht
Lebensfrömmigkeit.
Im
Alter gibt es das "Noch-Glück“. Das Glück, dass du,
Dorothee, noch da bist, dass die Kinder noch da sind. „Noch“ ist
dann nicht negativ, sondern positiv gemeint.
Zum
Glück gehört auch das Staunen. Etwas zu sehen wie beim ersten Mal.
Ein hinunterfallendes Blatt, einen bellenden Hund. Staunen können
ist eine Form, das Leben in seinen vielen Gestalten zu lieben.
Wie
mein Sohn, der auf der Straße stehen blieb und sagte: Mama, guck
doch mal, diese wunderbare 537. Er lernte gerade Zahlen lesen und
hatte diese Hausnummer entdeckt: 537. Das war das Glück!
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