Erfüllte Zeit

27. 06. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

Meister Eckehart: „Willst du wissen, was ein wahrhaft armer Mensch ist?“

 

Der Mensch ist wahrhaft arm im Geiste, der alles das wohl entbehren kann, was nicht nötig ist. Darum sprach der, der nackt in der Tonne saß, zum großen Alexander, der die ganze Welt unter sich hatte: „Ich bin“, sagte er, „ein viel größerer Herr als du bist; denn ich habe mehr verschmäht, als du in Besitz genommen hast. Was du zu besitzen für groß achtest, das ist mir zu klein, (es auch nur) zu verschmähen.“ Der ist viel glücklicher, der alle Dinge entbehren kann und ihrer nicht bedarf, als wer alle Dinge mit Bedürfnis (nach ihnen) im Besitz hält. Der Mensch ist der beste, der entbehren kann, was ihm nicht Not tut. Darum: wer am allermeisten entbehren und verschmähen kann, der hat am allermeisten gelassen. Es erscheint als ein groß Ding, wenn ein Mensch tausend Mark Goldes um Gottes willen hingäbe und mit seinem Gut viele Klausen und Klöster erbaute und alle Armen speiste; das wäre eine große Sache. Aber der wäre viel glücklicher daran, der ebensoviel um Gottes Willen verschmähte. Der Mensch hätte ein rechtes Himmelreich, der um Gottes willen auf alle Dinge verzichten könnte, was immer Gott gäbe oder nicht gäbe.