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Erfüllte Zeit22. 08. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
Das Brot aus: „Heilige Zeichen in Liturgie und Alltag“ von Egon Kapellari, Verlag Styria
"Er
ist gut wie Brot", sagt man bei manchen Völkern, wenn man über
einen Menschen das höchste Lob aussprechen will.
Diese Redensart erinnert den Christen unwillkürlich an
Jesus. Als er kurz vor seinem Tod mit den Aposteln
das Abendmahl hielt, fasste er sein Leben in den Zeichen von Brot
und Wein zusammen. Wie es bei einem solchen Mahl üblich war,
zerbrach er das Brot und verteilte es unter den Jüngern. Er gab
aber diesem Brotbrechen einen ganz neuen Inhalt, indem er sagte:
"Nehmt und esst, das ist mein Leib" (Mt 26,26). Man könnte
sinngemäß auch übersetzen: "Das bin ich für euch. Wie ihr
zum physischen Leben Brot braucht, so braucht ihr mich als
geistliche Nahrung auf eurem weiteren Lebensweg.“ Das
Zerbrechen des Brotes beim letzten Abendmahl ist auch ein Zeichen,
das auf den nahen gewaltsamen Tod Jesu hinweist. Im Orient werden
noch heute wie zur Zeit Jesu die frischgebackenen zähen Brotfladen
nicht geschnitten, sondern zerbrochen, ja geradezu auseinander
gerissen. Jesus, der das Brot zerbricht, ja zerreißt, um es an die
Jünger austeilen zu können, wird selbst im Tod zerbrochen werden,
um dann in der Eucharistie unerschöpflich verteilbar zu sein. Unzählige
Male ertönt seither an jedem Tag in der Kirche der Ruf: "Nehmt
und esst, das ist mein Leib." Der
Christ, der erlebt, wie in der Liturgie Brot in den Leib Christi
verwandelt wird, und der Christus in Brotgestalt empfängt, soll
selber verwandelt werden. Er soll werden wie Brot für andere
Menschen, die Hunger haben nach Zuwendung und Gemeinschaft. Das
betende Verharren vor dem Christus in Brotgestalt
kann viel dazu helfen, dass diese Verwandlung in Gang kommt und in
Gang bleibt. Die Christen in der Westkirche haben ja schon vor
langer Zeit begonnen, den Leib Christi in Brotgestalt nicht nur in
der Kommunion zu empfangen, sondern sich ihm über die Messe hinaus
betend und betrachtend zuzuwenden, weil er für die Kommunion von
Kranken und Sterbenden aufbewahrt blieb. Daraus hat sich
die sogenannte Tabernakelfrömmigkeit entwickelt, die Besuchung und Verehrung
des Allerheiligsten: eine starke, sprudelnde Quelle beständiger religiöser
Erneuerung. Es gilt, diese Spiritualität gegen manche Strömungen
der heutigen Theologie und Pastoral zu erhalten. Brot
war durch lange Zeit eines der Hauptnahrungsmittel in Europa, so wie
Reis in China oder Fisch für den Eskimo. Heute ist es nur ein
Lebensmittel unter vielen anderen. Schulkinder werfen das ungeliebte
Jausenbrot in den Papierkorb. In manchen Häusern wird aber immer
noch ein Kreuzzeichen auf den Brotlaib geschrieben, bevor er
angeschnitten wird. Und wer nach Süden reist und abseits der
Touristenströme durch Italien und Griechenland zieht, der findet
noch einfache Menschen, die ihre Mahlzeit mit selbstverständlicher
Würde als Mahl gestalten. Brot und Wein sind dort die täglichen
"heiligen" Gaben, die verstehen lassen, warum Christus
ihnen einen so hohen Rang gegeben hat.
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