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Erfüllte Zeit29. 08. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
Der Wein aus: „Heilige Zeichen in Liturgie und Alltag“ von Egon Kapellari, Verlag Styria
Dunkles
Licht im Becher nennt Hölderlin den roten Wein Südfrankreichs in
einem seiner Gedichte. Im Süden Europas, an den Küsten des
Lichtes, und im Orient schlingt sich die Rebe mit armdicken Ästen
von Baum zu Baum oder bildet dichte, schattige Lauben und Gänge. Im
biblischen Palästina waren Weinstöcke ein Kriterium für den
Wohlstand einer Familie, und die Propheten sprachen vom friedlichen
Leben in der messianischen Zeit als einem ungestörten Sitzen unter
dem eigenen Weinstock und Feigenbaum: "An jenem Tag werdet ihr
einander einladen unter Weinstock und Feigenbaum" (Sach 3,10).
Der sorgsam bebaute und durch eine Mauer geschützte, mit Wächterturm
und Kelter versehene Weinberg Palästinas wird von der Bibel als
Sinnbild für das Volk Israel aufgefasst (z. B. Jes 5,7). Gott ist
der Herr dieses geliebten Weinbergs. Die
Psalmen reden vom „Wein, der des Menschen Herz erfreut" (Ps
104,15); und im biblischen Buch Jesus Sirach heißt es: "Wie
Lebenswasser ist der Wein dem Menschen, wenn er ihn mäßig
trinkt" (Sir 31,27). In den außerbiblischen Religionen des
Orients galt der Wein als Symbol der Jugend und des ewigen Lebens.
Die Sumerer verwendeten das Weinblatt als Schriftzeichen für das
Wort "Leben". Neuer
Wein, der in neue Schläuche gefüllt werden will, das war die
Botschaft Jesu (Mt
9,17; Mk 2,22). Bei einer Hochzeit in Kana in Galiläa wirkte er
sein erstes Wunder (Joh 2,1-11). Der Wein, der hier in
verschwenderischer Fülle gegeben wurde, war ein Zeichen für die
nun angebrochene messianische Zeit. Sechs riesige steinerne Wasserkrüge
bargen in Kana diesen neuen Wein. Die Vollzahl Sieben ergibt sich,
wenn der Becher mit Wein hinzukommt, den Jesus beim Abendmahl am Gründonnerstag
gereicht hat: Nehmt und trinkt, das ist mein Blut für euch (Mt
26,27 f.). Blut ist Leben, Wein
ist Leben, Brot ist Leben. Jesus gibt sein Leben für uns und
schenkt dieses Leben in der Gestalt von Brot und Wein. Der
Wein der Messfeier weist über sie hinaus ins ewige Leben, das Jesus
beim letzten Abendmahl als ewiges Gastmahl beschreibt, indem er
sagt: "Von jetzt an werde ich nicht mehr von der Frucht des
Weinstocks trinken, bis zu dem Tag, an dem ich mit euch von neuem
davon trinke in meines Vaters Reich" (Mt 26,29). Wein
kann eine Droge sein, kann missbraucht werden zur Orgie, zum Rausch.
Wein kann aber auch Mittel zu wahrer Freude sein, zu jener "nüchternen
Trunkenheit", von der die Väter der Kirche oftmals sprechen. Der
Christ ist aber nicht nur ein Mensch, dem der Wein der Schöpfung
und der Wein der Eucharistie zuteil werden. Er soll selber wie Wein
werden. "Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben" (Joh
15,5), hat Jesus abschiednehmend zu den Jüngern und also zu allen
Christen gesagt, die diesen Namen verdienen. Neuer Wein sein, eine müde
Gesellschaft begeistern und beleben können, das ist eines der
Bilder für das Programm eines christlichen Lebens. |